: Psycho: Angst in der Dusche
Firmen schwanken zwischen glatten Oberflächen und Hygiene-Risiken / Hersteller beruft sich auf Umfragen und Normen, die keiner kennt ■ Von Eva Blank
4,6 Millionen Heim- und Freizeitunfälle, davon ungefähr 9.000 mit tödlichem Ausgang, passierten im Jahr 1992 nach Angaben der Aktion „Das sichere Haus“ und des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden. Wie viele Unfälle sich davon im Badezimmer ereigneten, ist unbekannt.
Diese Zahlen sind jedoch für den Sanitärporzellanhersteller Hüppe Grund genug, für eine Duschwanne zu werben, die eine speziell behandelte, rutschhemmende Oberfläche besitze. Sauberkeitsfreunden soll die Angst genommen werden, denn: „Ein Unfall in der Dusche schreckt laut Umfrage rund drei Viertel aller Deutschen“, behauptet Hüppe in einer Information, ohne freilich zu verraten, wer da wen befragt hat. Die neue, rutschhemmende Oerflächenstruktur werde durch Sandbestrahlung des Sanitäracryls erreicht. Die Oberfläche soll auf Dauer genauso angenehm zu betreten sein wie eine glatte, zudem soll sie keine hygienischen Nachteile aufweisen. Geprüft wurde diese rutschhemmende Oberfläche allerdings mit einer DIN- Norm, die im Deutschen Institut für Normierung in Berlin unbekannt ist.
Diesen Widerspruch deckte der Konkurrent Hüppes, die Firma Hüsch in Düren bei Köln auf. Für den Geschäftsführer Hans Jordan steht fest, daß sich diese Art der Oberflächenbehandlung aus Sicherheitsgründen heraus nicht lohne. Aus ihren eigenen Untersuchungen ergebe sich, „daß Acryl eine glatte Oberfläche mit einer hochgeschlossenen Oberfläche bietet, die keine Bildung eines rutschigen Wasserfilms zwischen den Füßen und der Oberfläche erlaubt“. Daher stelle seine Firma keine derartigen Wannen her.
Hüsch-Chef Jordan: „Die Firma Hüppe hat für ihre Behauptungen in bezug auf die DIN-Norm eine Abmahnung erhalten. Es war aber möglich, zu einer vernünftigen Lösung außerhalb der Gerichte zu kommen. Die Firma Hüppe muß ihre Produktinformationen in bezug auf die DIN-Norm umformulieren.“ Jordans süffisanter Vorschlag: „Wenn es eine DIN-Norm für rutschhemmende Oberflächen in Duschwannen geben würde, würde das Produkt der Firma Hüppe diese erfüllen.“ Leider sah sich bei der Firma Hüppe niemand in der Lage, eine Stellungnahme zu der etwas mißglückten Werbung abzugeben.
Klaus Treiber, Produktmanager der Firma Duscholux: „Durch das Aufrauhen der Oberfläche entsteht ein Hygienerisiko. Die Reinigung einer strukturierten Oberfläche ist schwieriger.“ Porenfreies, unbehandeltes Material sei nicht nur leichter zu reinigen, sondern auch rutschfester. Diese Voraussetzungen entsprächen mehr einem Produkt der gehobenen Preisklasse. Daher stelle seine Firmen nur Duschwannen mit unbehandelter Oberfläche her.
Glitschende Patienten im Krankenhaus
Angela Schulisch, Krankenschwester im Virchow-Krankenhaus in Berlin-Wedding, beklagt in bezug auf Sicherheitsrisiken nicht so sehr die Oberfläche der Duschen wie vielmehr ihren Allgemeinzustand. „Die Wannen in Krankenhäusern sind zu eng, haben oft einen zu hohen Tritt, häufig keine Sitze für ältere Patienten und nicht einmal Ablagen für Duschutensilien sind vorhanden. Oftmals gibt es gar keine Duschbecken, sondern nur Fliesen auf flacher Erde, die abschüssig zum Abfluß hin angebracht und so sehr rutschig sind.“ Nicht einmal Behindertenduschen seien als sicher anzusehen. Um dem Ausrutschen vorzubeugen, wird „ein Laken oder Handtuch vorgelegt und ein Hocker in die Dusche gestellt“. [Und fertig ist der Seifen-Ansitz, sagt der waidmännisch gebildete säzzer.]
Im Sanitärgeschäft Blank in der Urbanstraße „sind zwar die Wannen mit einer rutschhemmenden Struktur bekannt, aber noch nicht eingebaut worden“. Es empfiehlt sich also für die Besitzer rutschiger Duschwannen, entweder die Tips von Angela Schulisch zu beherzigen, oder eine im Handel für ungefähr 15 Mark erhältliche Duschmatte zu kaufen. Als letzter Ausweg bleibt natürlich, die alte durch eine neue mit einer glatten Oberfläche versehenen Wanne zu ersetzen. [Na, guten Rutsch noch, wünscht da der säzzer.]
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