: From Johnnie Walker an den Falckner
Im östlichen Luckenwalde wird Whisky gebrannt – der einzige aus deutschen Landen. Das ruft internationale Konkurrenz auf den Plan ■ Ein interner Briefwechsel, veröffentlicht von Bascha Mika
From
John Walker
& Sons,
Distillers
Company Ltd.,
Kilmarnock/
Scotland
to
C. W. Falckenthal
Söhne
GmbH und Co. KG,
Likörfabrik und
Brennerei,
Luckenwalde/
Ostdeutschland
Dear Sirs!
Uns ist zu Ohren gekommen, daß Sie in Ihrem Unternehmen einen deutschen!!! Whisky brennen. Wir gehen davon aus, daß es sich hierbei um einen Scherz handelt!
Yours respectfully
* * *
C. W. Falckenthal Söhne
an
John Walker & Sons
Sehr geehrte Herren!
Wir danken Ihnen für Ihr Interesse an unserem ostdeutschen Markenprodukt. Dies sehen wir als Zeichen, daß die Konsumgüter der ehemaligen DDR auf dem besten Wege sind, sich ihren Platz bei den Verbrauchern zurückzuerobern.
Bei unserem Whisky – „Der Falckner“ und „Edel Falcke“ – handelt es sich keineswegs um einen PR-Gag. Unser Unternehmen ist stolz darauf, einen Whisky aus ausschließlich heimischen Rohstoffen anbieten zu können. Einen Whisky aus deutschen Landen – den einzigen. Seit 1956! Er besteht aus bestem Brandenburger Gerstenmalz, Roggen und Brunnenwasser und wird in ausgekohlten Steineichefässern gelagert. Qualität hat im Haus Falckenthal eine lange Tradition. So kann sich auch unser Whisky mit der internationalen Konkurrenz messen lassen.
Hochachtungsvoll
* * *
John Walker & Sons
to
C. W. Falckenthal Söhne
Dear Sirs!
Ihre Ausführungen bestätigen unsere schlimmsten Befürchtungen. Sie Hobby-Schotten, Sie! Als sei Whisky eine Spirituose, die man produziert, weil die Rohstoffe vorhanden sind. Whisky ist viel mehr. Eine Weltanschauung! Eine angelsächsische Philosophie! Ein geschmacklicher Höhenflug! Dazu hat unser Haus seit 1877 nicht unmaßgeblich beigetragen. Unser Whisky ist der weltweit am meisten verkaufte Scotch. Während man in Ihrem Land bis zum Zweiten Weltkrieg noch nicht einmal wußte, was Whisky ist, ließ er unsere Nation beim Kampf gegen Hitlerdeutschland zu höchster Tapferkeit auflaufen: Whisky war der Lieblingsdrink des großartigen Staatsmanns Sir Winston Churchill, er hat ihm manch geistigen Beistand geleistet. Sie im Land des Weinbrands und Doppelkorns können solchen Genuß noch nicht einmal ahnen.
Zu Ihren Gunsten möchten wir erwähnen, daß Sie sich von der irischen und amerikanischen Konkurrenz nicht haben beeinflussen lassen und „Whisky“ auf die einzig richtige Art buchstabieren: ohne „e“.
Yours respectfully
* * *
C. W. Falckenthal Söhne
an
John Walkers & Sons
Sehr geehrte Herren!
Wir freuen uns, daß Sie unseren „Falckner“ in der Tradition des schottischen Whiskys sehen. Dies ist ganz in unserem Sinne. Dazu einige Anmerkungen zur Geschichte unseres Hauses.
Es war einmal ein Jüngling namens Lukas, der sich unsterblich in das Töchterlein seines Herrn, des Burgvogts von Jüterbog, verliebte. Zur Strafe wurde er ins Kloster Zinna gesteckt. Hier braute er sich aus vielen verschiedenen Kräutern einen Trank. Der sollte seinem unglücklichen Leben ein Ende machen. Doch statt den Tod gab ihm das Gebräu Lebensfreude. Angeheitert verfeinerte Bruder Lukas sein Tränklein, welches seitdem als „Zinnaer Klosterbruder“ bekannt und geschätzt wurde.
Als unser Ahnherr Johann Christian Falckenthal 1759 einen brau- und brennberechtigten Gasthof in Luckenwalde erwarb, fand er das Rezept. Seitdem ist unser Familienunternehmen für dieses Schnäpsgen berühmt. Darüber hinaus umfaßt unsere Produktpalette noch 13 weitere Edelspirituosen.
Damit gab sich unser Seniorchef Curt-Wilhelm Falckenthal jedoch nicht zufrieden. Er wollte versuchen, was bisher noch niemand gewagt hatte: deutschen Whisky zu brennen. Was die Schotten können, können wir Brandenburger auch! dachte er. Das war kurz nach Gründung der DDR. Seine Brüder, die im Westen lebten, schickte er nach Schottland, um Erfahrungen zu sammeln. Seit Anfang der 50er Jahre experimentierte Falckenthal mit Whisky. Da beschloß die Regierung: „Jedem DDR-Bürger seinen Whisky-Rausch. – Aber realsozialistisch, bitte.“ An die Schnapsbrennereien erging der Auftrag für eine Erfindung. Unsere Firma war die einzige, der das Kunststück gelang. Seit 1956 produzieren wir unsere Hausmarke, die stets auf Anklang stieß. Bis heute ist der „Falckner“ der einzige deutsche Whisky geblieben.
Hochachtungsvoll
Foto: Wolfgang Borrs
John Walker & Sons
to
C. W. Falckenthal Söhne
Dear Sirs!
Daß Sie Spione nach Schottland schickten, sieht Ihnen ähnlich. Daß Sie beim Spionieren nichts gelernt haben, auch. Wie uns unser deutscher Gewährsmann berichtet, sind Sie in realsozialistischen Zeiten nicht davor zurückgeschreckt, Ihren „Falckner“ in Stahlfässern zu lagern, in die Sie Eichenspäne streuten, um Holzaroma vorzutäuschen. Als weitere Attacke auf die Leber haben Sie Ihren Stoff ganz frisch abgefüllt. Dabei darf sich nur Whisky nennen, was mindestens drei Jahre gereift ist; die geschmackliche Wahrheit liegt sogar zwischen acht und fünfzehn Jahren.
Kein Wunder daß Ihr „Falckner“ in der verblichenen DDR als „Rachenputzer“ verschrien war, als kratziger, rauher Sprit, der schmeckte, wie eine Tankstelle roch. Einem Ihrer Landsleute – der nur nach dem Ruf Ihres Gesöffs urteilen konnte, denn es war trotz seiner zweifelhaften Herkunft eine sogenannte „Bückware“ und nicht einfach zu bekommen – entfuhr der erschreckte Ausruf: „Der is' bestimmt ganz entsetzlich gewesen. Da roch ick doch lieber Haschisch.“ Von einem anderen ist überliefert: „Wenn man sich was antun wollte mit Whisky, hat man lieber gleich das Original aus Schottland gekooft. Das war weniger gefährlich.“
Daß die Trinkkultur Ihrer Landsleute höchst befremdlich war, ist allgemein bekannt. Was soll man von einem Volk halten, das freiwillig einen Fusel mit dem Beinamen „Blauer Würger“ schluckte, von dem man blind oder wahnsinnig werden konnte oder beides? So ein Volk verdient kein anderes Schicksal, als kolonisiert zu werden! Originalzitate von Ureinwohnern: „Es ging bei geselligen Anlässen ja nur darum, sich 'ne Dröhnung reinzuziehen. Was man trank, war doch egal.“ Oder: „Die ganzen Brigadefeiern im Arbeitskollektiv waren nur zum Saufen. Sollte man sich etwa über die sozialistische Produktionsweise unterhalten? Da wurde die Flasche reingebrettert, immer nach dem Motto: Siegen lernen von der Sowjetunion!“
Solch ein Land hat seinen Anspruch auf ein Gentleman-Getränk wie Whisky verwirkt. Bleiben Sie bei Ihrem Sprit: Ihrem „Goldbrand“ und „Nordhäuser Doppelkorn“!
Yours respectfully
* * *
C. W. Falckenthal Söhne
an
John Walker & Sons
Sehr geehrte Herren!
Bei allem Respekt: Auch Whisky aus Ihrem Land schmeckt manchmal so, wie die DDR riecht. Pardon, gerochen hat. Außerdem nehmen wir mit Bedauern zur Kenntnis, daß Sie höchst einseitigen Darstellungen über unsere Vergangenheit Glauben schenken. Sollte uns in der Zeit des Arbeiter-und- Bauern-Staates tatsächlich die ein oder andere Unappetitlichkeit bei der Whisky-Produktion unterlaufen sein, so ist dies ausschließlich mit der regen Nachfrage nach unserer begehrten Spirituose zu erklären. (Immerhin wurden und werden bei uns zwölf Liter reiner Alkohol im Jahr pro Kopf von der Bevölkerung verkonsumiert.)
Vergessen Sie nicht, daß auch unser Betrieb den sozialistischen Produktionsverhältnissen angepaßt wurde. 1972 wurde das Unternehmen verstaatlicht, unser Seniorchef zum Geschäftsführer degradiert. Auf Druck von leitenden Genossen mußten wir unser Plansoll erfüllen – wie, war unwichtig. Den Genossen war es egal, die deckten sich mit Luxusimporten ein.
Erst seit 1990 sind wir wieder ein Familienbetrieb. Der Neuanfang nach dem Wende- Tief war für uns nicht leicht. Rund hundert Leute haben früher bei uns gearbeitet, jetzt sind es noch zwanzig. Dabei wollen wir Ihnen nicht verschweigen, daß die Whisky-Produktion für uns ein teures Hobby ist: weder logisch noch wirtschaftlich zu erklären. Doch es war das Lebenswerk unseres verstorbenen Seniorchefs, dem wir uns verpflichtet fühlen.
Darüber hinaus gibt es genügend Verbraucher, die unsere Rückkehr zum Markt freudig begrüßen. „Der Falckner, der war doch jut“, schrieb uns ein treuer Kunde, „der hat echt wie Whisky geschmeckt.“ Allein im letzten Jahr haben wir 60.000 Flaschen „Falckner“ abgesetzt. Über Jahre geprägte Geschmacksgewohnheiten lassen sich nicht so einfach ausrotten. Dabei haben wir uns seit der Wende strikt auf unsere Tradition und das neue Lebensmittelgesetz besonnen: Kein Whisky verläßt unser Haus, der nicht mindestens drei Jahre in exklusiven Steineichefässern gelagert wurde. Unser „Edel Falcke“ kann sogar vier Jahre vorweisen. Anbei finden Sie eine Probe.
Hochachtungsvoll
* * *
John Walker & Sons
to
C. W. Falckenthal Söhne
Dear Sirs!
Haben in kleiner Runde Ihren Whisky verkostet. Sind trotzdem noch in der Lage, Ihnen zu antworten. Zu unserem Erstaunen stellen wir fest, daß Ihr Whisky tatsächlich wie einer schmeckt. „Gar nicht so schlimm“, entschlüpfte es einem der Probanden. „Viel milder, als ich dachte“, urteilte ein anderer. Daß einer der Experten behauptete, Ihr Whisky sei sogar „echt schottisch“, halten wir allerdings für übertrieben. Der Schiedsspruch unserer Experten: Lagern Sie „Falckner“ zehn weitere Jahre. Dann kann er ein richtig guter Whisky werden!
Yours
respectfully
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen