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Erörterung über das „Atom-Ei“ geplatzt

■ GegnerInnen des Forschungsreaktors der TU München verließen den Saal

München (taz) – Am Donnerstag war für das „Bündnis gegen den Atomreaktor Garching“ das Maß voll. Nach drei Tagen, in denen sie sich von der Verhandlungsleiterin Edeltraut Böhm-Amtmann vom Bayerischen Umweltministerium beispiellose Schikanen hatten bieten lassen, zogen die GegnerInnen des Forschungsreaktors aus der Rudi-Sedlmayer-Halle aus.

Eduard Bernhard vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) sprach ebenso wie Ruth Paulig von der Grünen- Landtagsfraktion von „diktatorischer Verhandlungsführung“. Die Ministerialbeamtin habe mit einer in wochenlangem psychologischem Training erlernten Strategie die Sachbeiträge der EinwenderInnen bis zur Unkenntlichkeit zerhackt. Tatsächlich wurde Rechtsanwälten und Sachbeiständen der Reaktor-GegnerInnen das Wort entzogen. Eigens aus Österreich angereiste VertreterInnen durften lediglich fünf Minuten reden, mehrfach unterbrochen durch ellenlange juristische Belehrungen.

Diesen „neuen Stil“ (Bernhard) hatte Böhm-Amtmann selbst in einem Versprecher als „ordnungsstaatliches Verfahren, äh, ordentliches staatliches Verfahren“ charakterisiert. Selbst Kommunen wie der Landeshauptstadt München, die Einwendungen gegen das Atomprojekt vor ihren Toren erhoben hatte, verwehrte sie es, ihre Bedenken geschlossen vorzutragen.

Verhandelt wurde offenbar nur über ein „Phantom-Ei“ und mitnichten über die aktuellen Planungen für den neuen Atommeiler. Michael Sailer vom Öko-Institut Darmstadt hatte durch beharrliches Fragen die Verhandlungsleitung zu der Aussage gebracht, daß Gegenstand des Erörterungstermins der Reaktor sei, wie er im öffentlich ausgelegten Sicherheitsbericht beschrieben sei. In einer Erklärung über einen Kabinettsbeschluß der bayerischen Regierung waren dagegen wesentliche Umplanungen wie Veränderungen der Wanddicken und des Reaktorbeckens bekanntgegeben worden. Während im Erörterungstermin noch die alten Planungen präsentiert wurden, faxte der Antragsteller ungeniert die Nachricht in die Welt, daß der Reaktor mit dem geänderten Design nun auch Flugzeugabstürze überstehen würde.

An den ersten beiden Tagen des 3,5 Millionen Mark teuren Erörterungstermins hatte sich alles um die Zuverlässigkeit der TU und Siemens' gedreht. Doch weigerte sich Siemens beispielsweise, auch nur die Namen der nach dem Atomgesetz vorgeschriebenen verantwortlichen Personen zu nennen. „Wir halten dicht – aber unsere Anlagen nicht“, kommentierte ein Einwender diese Vorgehensweise. Auch detaillierte Nachfragen über eine radioaktive Verseuchung des Erdreichs durch den alten Forschungsreaktor, der ebenfalls von der TU betrieben wird, blieben unbeantwortet oder wurden gar nicht erst zugelassen.

Wesentliche weitere Kritikpunkte, wie die Verwendung atombombenfähigen Urans, will das Umweltministerium unter dem Tagesordnungspunkt „Sonstiges“ zwar abhandeln, aber in seine Entscheidungsfindung über die Genehmigung nicht einbeziehen.

Während die Genehmigungsbehörde das Verfahren nun ohne EinwenderInnen fortsetzt, kündigte das Bündnis gegen den Atomreaktor eine alternative Anhörung an. Karl Amannsberger

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