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Ciao, Nuckelpinne !

■ Fiat 500 Fans feierten sich und ihre süßen Kisten auf dem Backsberg/ Fischerhude

Es muß 1967 gewesen sein, da kaufte Onkel Bruno seiner Frau einen Zweitwagen. Ein bißchen Blech, das schon ab Werk rostete, ein heulendes Motörchen, das horrende Mengen an Öl schluckte, kurzum: Tante Gertrud wurde stolze Besitzerin eines Fiat 500, des süßesten Autochens, das je ein italienisches Montageband verlies. Und so jückelten wir durch die Stadt, waren stolz auf Tante Gertrud, die vor dem Krieg Lastwagen gefahren hatte, aber besonders auf Mörchen, wie sie ihr Wägelchen nannte. Und in ganz zärtlichen Momenten sagten wir Nuckelpinne.

An diesem Wochenende gab's ein wiedersehen mit der Nuckelpinne, und das gleich 82fach: Auf einer nassen Wümmewiese zwischen Oyten und Fischerhude stieg das „13. Bremer FIAT 500 Frühjahrstreffen 1994“, und sie waren von nah (Kiel) und fern (Kehl, bei Straßburg) gekommen, die Fans des Schinkeschento mit ihren bunten Kisten.

Zelte, Lagerfeuer, Wettrennen auf der langen Geraden am Backsberg, Ersatzteile und die Verlosung einer 500er Rohkarosse - ein Treffen, wie es andere Oldie-Fans veranstalten. Mit einem angenehmen Unterschied: Kein Mensch käme hier auf die Idee, den Nächsten zu verachten, weil die Sitzbank nicht original ist. Der 500er Enthusiast ist nämlich zuallererst nicht Sammler, sondern Schrauber.

So wie Arne (26) von der „Fiat 500 Interessen-Gemeinschaft Lippe“. Der Architekturstudent hat ölige Finger, schraubt aber am Auto nur, „um es am Leben zu erhalten“, und braucht es ansonsten zum Leben. „Da penn ich drin“, erschreckt er den Reporter. Klamotten auf den Beifahrersitz, Liegesitz runtergedreht - fertig! „Man glaubt ja nicht, was da Platz ist“, behauptet Arne, der den Kleinen letztes Jahr für seinen Umzug brauchte. Mit Fahrrad und Ski!! Übrigens findet sich auch immer Stauraum für eine Kiste Bier. Notfalls kann man ja das Schiebedach öffnen. Neben allem anderen ist seine Nuckelpinne nämlich ein echter Cabrio.

Mit dem Fiat 500 gelang den Touriner Designern 1957 vor allem ein psychologisch geschickter Wurf: Der „Fünfer“ (wie die Insider sagen) zielt mit seinen kugelrunden Formen unmittelbar auf unsere Brutpflegeinstinkte; man muß, das Kindchenschema will es so, das Stupsnäschen herzen und den niedlichen Popo wischen. Dieser Mechanismus funktioniert manchmal sogar in den Steigungsstrecken des Sauerlandes, wenn 18 PS auf 400 Brummi-PS treffen. Schleppt Wombel (32) aus Gütersloh auch noch seinen Kleinstwohnwagen mit, kreucht der Schleppverband mit 40 den Berg hinan...

Doch das Image des 500er Lenkers ist einfach gut. Er gilt als lustig und sympatisch. So klingen selbst die auf den Fiat gemünzten schimpfwörter fast zärtlich: Knutschkugel, Asphaltblase, Elefantenturnschuh.

Seit 1957, als er noch Türen hatte, die sich nach vorn in Fahrtrichtung öffneten, gilt der Kleine technisch eher als Provisorium. Für Leute, die ankommen müssen, ist er auch heute noch nichts. Irgendwas rappelt sich immer mal los. Dafür hat er keine Parkplatzprobleme - schlimmstenfalls wuchten ihn zwei Kavaliere in eine Lücke. Wegen der großen produzierten Stückzahlen des in den 60ern gut 3000 Mark billigen Autos wird der Sammler nicht reich - nach aufwendiger Restauration darf man mit kargen 7000 Mark rechnen.

Der Fiat ist auch heute noch ein Thema für arme Kleinfamilien, Einsteiger und Leute, die mit möglichst wenig Auto möglichst schick um Kurven zischen wollen. Und natürlich für Sahara-Horst: Der drang 1988 mit einem 500 F tief in die algerische Sahara ein, schwer bepackt mit Sandblchen, Ersatzmotor, Wasser, Sprit und Weltraumnahrung. Er überlebte seinen Alleingang und zehrt heute noch von seinem unsterblichen Ruhm in der Familie.

Burkhard Straßmann

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