: „Ihr wollt den Wandel“: Übergabe in Südafrika
■ Nelson Mandela ist jetzt Präsident Südafrikas – mit de Klerk als Stellvertreter / Das neue Parlament trat zusammen und wählte sich eine Präsidentin
Kapstadt (taz) – „Eine neue Ordnung für Südafrika“ versprach Nelson Mandela gestern mittag in Kapstadt vor über 150.000 Menschen in seiner erster Rede als Staatspräsident: „Dies ist die Herausforderung für alle Südafrikaner, der wir uns alle stellen werden, davon bin ich überzeugt.“ Zuvor war er ohne Gegenkandidaten im neugestalteten Plenarsaal des Parlaments zu Südafrikas erstem schwarzen Präsidenten gewählt worden. Thabo Mbeki wurde als erster Stellvertreter, der bisherige Staatschef Frederik W. de Klerk zum zweiten stellvertretenden Präsidenten bestimmt.
„Ihr wollt den Wechsel“, rief Nelson Mandela später während seiner Rede, „und Veränderungen werdet ihr bekommen. Aber vor uns liegt keine leichte Aufgabe.“ Frederik W. de Klerk applaudierte. Der Ausrufer Thembile Malangeni aus Mandelas Heimatdorf Qunu pries die Tugenden des neuen Staatsoberhaupts, während der Präsident im dunklen Anzug und mit einer weißen Nelke im Knopfloch den jubelnden Südafrikanern zuwinkte. „Das ist der Tag, auf den wir 350 Jahre gewartet haben“, frohlockte der anglikanische Erzbischof Desmond Tutu, wie de Klerk und Mandela Träger des Friedensnobelpreises. Das Kirchenoberhaupt hatte sich zuvor schon kaum bremsen können. Als Mandela samt Stellvertretern sich zum ersten Mal zwischen den riesigen Säulen am Portal des Parlaments der Öffentlichkeit präsentierte, hallte das freudige Kichern von Tutu über die Lautsprecheranlage. Und bevor er Mandela den Südafrikanern präsentierte, entfuhr ihm ein lautes „Wow“.
Joe Slovo, Chef der Kommunistischen Partei, kam wie versprochen in roten Socken zur ersten Sitzung des neugewählten Parlaments. Der weiße ANC-Abgeordnete Jan van Eck, der seit 1986 für die demokratische Partei im Apartheid-Parlament saß und vor zwei Jahren zum ANC wechselte, brachte zum ersten Mal seine Frau Eunis mit. „Bisher habe ich mich immer geweigert, aber mit Mandela als Präsident haben wir endlich ein demokratisches Land“, begründete sie ihren Auftritt. Und zum ersten Mal hallte der Befreiungsruf „Amandla“ durch die altehrwürdigen Hallen von Kapstadt, unter den strengen Augen der alten Herren auf Dutzenden von Ölbildern.
Die 400 Abgeordneten der Nationalversammlung werden zusammen mit 90 von den Provinzen bestimmten Senatoren unter anderem eine endgültige Verfassung ausarbeiten. Die gegenwärtig geltende bleibt voraussichtlich bis 1999 in Kraft. Das bisher prominenteste politische Opfer des „neuen Südafrika“, der seit April 1977 amtierende dienstälteste Außenminister der Welt, Pik Botha, präsentierte sich gelassen: „Ich bin jetzt einfacher Abgeordneter.“ Aber die Aufgabe des „Tourismusministers“ würde „ihm Spaß machen“. Sein Nachfolger, der 68jährige Alfred Nzo, schlief während der ersten Parlamentssitzung ein. Südafrikas Nationalversammlung erhielt am Montag auch zum ersten Mal in der Geschichte mit Frene Ginwala eine Frau als Präsidentin. Sie wurde von Winnie Mandela vorgeschlagen. Ihr Ehemann Nelson, der sich vor zwei Jahren von ihr getrennt hatte, verzog keine Miene, als sie zum ersten Mal seit Jahren in der Öffentlichkeit neben ihm stand. Willi Germund
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen