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Eine Einladung zum Schlachtfest

■ Das Saarland will heute sein Pressegesetz verschärfen

Durch dubiose Pensionsbezüge und die „Rotlichtaffäre“ war er in die Schlagzeilen geraten. Daraufhin hatte der saarländische Ministerpräsident Oskar Lafontaine die Berichterstattung über seinen Regierungsstil als „Schweinejournalismus“ bezeichnet. Jetzt schlägt der Schweinehirt mit der ganzen Macht seiner SPD-Mehrheit im kleinen Saarland zurück.

Der Landtag in Saarbrücken will heute eine Vorlage verabschieden, die das saarländische Presserecht den Wünschen gebeutelter Politiker anpassen würde. Der Entwurf aus Lafontaines Staatskanzlei sieht vor, daß Gegendarstellungen in Zukunft an der gleichen Stelle, in gleicher Größe und Aufmachung erscheinen müssen wie der Artikel, auf den sie sich beziehen. Die Überschrift muß „Gegendarstellung“ heißen. Besonders absurd: Auch Karikaturen und Fotos sollen nach Vorstellung der saarländischen Regierung unter das Recht auf Gegendarstellung fallen. (Wir stellen uns vor: Lafontaine schickt uns künftig handsignierte Karikaturen mit der Überschrift „Gegendarstellung“. d.Red.)

In der ersten Fassung des Gesetzentwurfs war außerdem vorgesehen, die übliche redaktionelle Erwiderung („Redaktionsschwanz“) ganz zu verbieten, so darf er nach der jetzigen Version immerhin in der gleichen Ausgabe erscheinen – allerdings räumlich getrennt und auf die Richtigstellung von Tatsachenbehauptungen beschränkt. Die Kommentierung einer Gegendarstellung dagegen soll erst in einer späteren Ausgabe zulässig sein.

Entlarvend für Lafontaines Auffassung von Gewaltenteilung ist sein Versuch, Richter künftig zu verpflichten, denjenigen bei der Formulierung ihres Textes zu helfen, die eine Gegendarstellung gerichtlich durchsetzen wollen. Gerichte, bisher unabhängig, würden dann gegen die Presse Partei ergreifen müssen – ein bundesweit einmaliger Vorgang, wie die Anwaltskammer von Rheinland-Pfalz findet.

Die „Lex Lafontaine“, allgemein als persönlicher Rachefeldzug des Ex-SPD-Kanzlerkandidaten – vor allem gegen den Spiegel – eingeschätzt, wurde bei einer Expertenanhörung im saarländischen Landtag völlig verrissen. Die Gesetzesnovelle stelle einen verfassungswidrigen Eingriff in die Pressefreiheit dar, so die Fachleute, und ziehe darum unnötige Rechtsstreitigkeiten nach sich. Wenn Gegendarstellungen nicht mehr unmittelbar kommentiert werden dürften, verstoße das nicht nur gegen die redaktionelle Autonomie, sondern zwinge eine Zeitung möglicherweise dazu, gegen ihre Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung zu verstoßen. Genüßlich zitierte der Spiegel den Intendanten des Saarländischen Rundfunks Manfred Buchwald aus der Anhörung: „Am Ende werden Lügner das letzte Wort haben.“ Und der Vertreter des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) urteilte, Lafontaine wolle eine „Schutzzone“ für diejenigen Politiker errichten, „die im Presserecht einen Hebel zur Maßregelung ihrer Kritiker sehen“. Sämtliche Expertenkritik jedoch wurde in einer Pressemitteilung der SPD kurzerhand als „eindrucksvolle Bestätigung“ des Entwurfs gefeiert. Der DJV wiederum erkannte das als „schlichte Fälschung“, die „eigentlich eine Gegendarstellung notwendig“ mache.

Sogar die CDU, die während ihres Hamburger Parteitages im Februar noch weitaus schärfere Forderungen nach einer Änderung des Presserechts in ihr Grundsatzprogramm geschrieben hatte, zieht angesichts der Kritik an Lafontaine jetzt die eigenen Pläne zurück. CDU-Generalsekretär Peter Hintze sagte, man wolle den Persönlichkeitsschutz nicht durch Gesetzesverschärfungen regeln. Statt dessen strebt die CDU eine „Selbstkorrektur“ der Medien auf freiwillger Basis an. Nun muß Oskar die Schweine ganz alleine hüten. Achim Baum

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