: Kampf der Riva-Philosophie
Bei Eko-Stahl treffen die Eisenhüttenstädter Eko-Familie und der italienische Patriarch Emilio Riva aufeinander ■ Aus Eisenhüttenstadt Michaela Schießl
Am Mittwoch um 15.38 Uhr klingelte das Telefon beim Betriebsrat der Eko in Eisenhüttenstadt. Die Nachricht der Treuhand: Die Gespräche mit dem italienischen Stahlbaron Emilio Riva, der das größte ostdeutsche Stahlwerk übernehmen will, gehen weiter. Doch echte Freude ist nicht auszumachen im Gesicht des Betriebsratsvorsitzenden Wolfgang Ramthun. Sein trockener Kommentar: „Wir sind zufrieden.“
Bleibt der Verdacht, daß man in der einst „ersten sozialistischen Stadt Deutschlands“ auch nicht ganz unzufrieden gewesen wäre, wenn der Investor beleidigt abgezogen wäre. Um ein Haar schon hatte man ihn rausgekantet. Der Vertrag, den die Treuhand am 1. März – nach langem Kampf um Milliardensubventionen – mit Riva geschlossen hatte, ist gescheitert, die für den 1. Mai geplante Übernahme des Betriebes wurde verschoben. Offizieller Grund: Man konnte sich nicht über den elften, neutralen Mann im Aufsichtsrat einigen. Riva lehnte den Vorschlag von Treuhand und Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe, den ehemaligen SPD-Finanzminister Hans Apel zu berufen, wegen dessen „Arbeitnehmerfreundlichkeit“ ab. Somit war der Aufsichtsrat nicht arbeitsfähig, die GmbH – Voraussetzung für die Riva-Übernahme – blieb ungegründet. Der alte Vorstand unter dem Vorsitz des Ex-Kombinatsleiters Dr. Karl Döring (1989: „Ich, der Kommunist Karl Döring“) zog die Zugbrücke hoch. In einem Schreiben an die Belegschaft bekundeten Vorstand und Aufsichtsrat am 23. April, daß „die operative Führung der EKO-Stahl AG weiter über den Vorstand zu erfolgen hat und die wirtschaftlichen Vorgänge keiner Abstimmung mit Riva bedürfen. Wir bitten Sie, die in den letzten Tagen übliche Verfahrensweise, Gespräche mit der Riva- Gruppe eigenverantwortlich zu führen, einzustellen.“
Ein Affront gegen den Investor, dessen Ursache nicht nur in inhaltlichen Dissonanzen zu suchen ist. Was die vom DDR-Regime gehätschelten „Helden der Arbeit“ so gegen den autoritären Italiener aufbringt, ist die Art des Umgangs. „Wie die Feldherren“ seien sie aufgetreten, hört man im Betriebsrat, so „als hätten sie den dritten Weltkrieg gewonnen“. Als unverschämt empfanden die einst sozialistischen Vorzeigearbeiter das Benehmen der Riva-Vorhut unter der Leitung des Riva-Schwiegersohnes Hans-Hinrich Muus. „Die sind einfach in die Abteilungen hineinmarschiert und haben den erstbesten gefragt, wen er denn rausschmeißen würde“, sagt Ramthun. Firmen, die der Eko-Vorstand mühsam und mit langjährigen Verträgen versehen aus dem Gesamtunternehmen ausgegliedert hat, hätten Besuch bekommen. „Die kamen rein und verkündeten, man könne die Verträge zerreißen, das sei hinfällig.“ Das vertragliche Versprechen, die Zukunftspläne für Eko offenzulegen, wurde nicht eingehalten. Weder Vorstand noch Aufsichtsrat, noch der Betriebsrat bekamen Einsicht, wie Riva sich die Dezimierung der 3.000 Arbeitsplätze auf 2.300 vorstellt.
„So geht das nicht, so lassen wir uns nicht behandeln“, klingt es unisono aus den Abteilungen. Die Firmenphilosophie des Herrn Riva – Ich bin der Chef, und der Chef bestimmt – will einfach nicht zusammenpassen mit der Philosophie, die jahrzehntelang praktiziert wurde. „Es gab nie Probleme zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat“, sagt Vorstandssprecher Reinhard Behrend. „Unser oberstes Gebot hieß immer: Transparenz.“ Betriebsratschef Ramthun bestätigt dies: „Bis hin zu den technologischen Entscheidungen wurde die Belegschaft mit einbezogen. Schließlich macht es Sinn, das Know-how der Leute zu nutzen. Ein großes Kollektiv, eine Art Familie entstand auf diesem Wege. Ramthun: „Bei uns heißt der Betrieb: Unser Eko.“
Das „unser Eko“ nun Rivas Eko werden soll, die Arbeiter nur noch Malocher, der Betriebsrat ein Abnick-Gremium und die Montanmitbestimmung eine Floskel will kein Eisenhüttenstädter hinnehmen. „Wir haben schließlich auch was zu bieten“, sagt Behrend, „Schließlich habe man eigenständig die Belegschaft von über 11.000 Mitarbeiter auf 3.000 reduziert, die Verluste vermindert und konkurrenzfähigen Stahl produziert. Wir haben einen guten Ruf, eine hochmotivierte Belegschaft. Und darauf sind wir stolz.“
Stolz, der manchmal auch trotzig daherkommt. Rainer Werner, Bürgermeister und Aufsichtsratsmitglied: „Der klassische kapitalistische Unternehmer kann sich einfach nicht vorstellen, daß etwas nicht nach seinem Kopf läuft.“
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