: Viel Bewegung in Hamburg
■ Turnfest: 100.000 Menschen turnen und spielen ab morgen in Hamburgs Hallen und auf den Straßen / Viel Breitensport und einige Turngalas
Turnfeststimmung schon vor dem Start. Einträchtig schunkelte der Hamburger Innensenator Werner Hackmann mit Deutschlands Oberturner Jürgen Dieckert zur Festhymne des 29. Turnfestes „Hand in Hand – der Zukunft Brücken bauen“ vor etwa 50 Journalisten bei einer Pressekonferenz zwei Tagen vor Start des Ereignisses. Hand in Hand, so wie es von der Lautsprecheranlage in deutscher Schmacht-Schlager-Manier intoniert wurde – die eigentlichen Interpreten durften nur brav ihre Lippen bewegen und durch ausfahrende Bewegungen ein wenig Pathos versprühen – ging es dann weiter. Artig bedankte sich Hackmann bei den Organisatoren. Ebenso brav würdigte DTB-Chef Dieckert die Verdienste der Sponsoren, der fast ehrenamtlichen Helfer, der Pioniere der Bundeswehr und natürlich der Hansestadt Hamburg.
100.000 Teilnehmende haben sich für das am Sonntag beginnende Turnfest angemeldet. Für die „größte Reality-Show des Normalbürgers“, wie Dieckert fabulierte. Das 29. Deutsche Turnfest will die verschiedenen Strömungen innerhalb des 4,4 Millionen Mitglieder zählenden Deutschen Turner-Bundes zeigen. „Das Programm ist vielfältiger und interessanter geworden“, sagte Paul-Georg Wienberg-Schaper, der Präsident des Organisationskomitees.
Im olympischen Spitzensport wird Waleri Belenki (Stuttgart), der erst vor drei Wochen in Brisbane WM-Dritter an den Ringen wurde, im Blickpunkt stehen. Seine härtesten Konkurrenten im Kampf um den deutschen Zwölfkampf-Titel sind Europas Reck-Champion Andreas Wecker (Berlin) und Vorjahrsmeister Oliver Walther (Halle). Bei den Turnerinnen fällt Julia Stratmann (Bergisch Gladbach) die Favoritenrolle zu, nachdem sich im Vorfeld Titelverteidigerin Sandra Tomaschko (Berlin) und Rufina Kreibich (Hoffnungsthal) verletzten. Die neue „Königin“ unter den Gymnastinnen wird wie die alte heißen: Magdalena Brzeska (Schmiden).
Es steht aber nicht nur das klassische Turnen auf dem Programm, sondern auch zahlreiche Ballsportarten, wie etwa ein Volleyballturnier mit 11.000 Teilnehmenden, Friesenkämpfe und allerlei Freizeitspiele. Ein zu der „Straße der Bewegung“ mutierter Jungfernstieg bietet den HamburgerInnen Gelegenheit ihre Präferenzen zu entdecken. Neben den obligatorischen Freß- und Info-Ständen gibt es hier zahlreiche Vorführungen für Jedermann: Spielen und Bewegen mit „alltäglichen“ Geräten, Bauchtänze, Gymnastik mit Handgeräten, Akrobatik, Jonglage und Pantomime.
Eine Exkursion in die andere Geschichte des Turnsports bietet der Landesjugendring an: „Eine Fahrradfahrt zum Arbeitersport in Hamburg“. Radelnd soll die Geschichte des SPD-nahem Arbeiter-Turn-und-Sportbundes und des Rotsports der KPD erzählt werden. Beides Massenbewegungen, die bis zu ihrer Zerschlagung durch die Nazis, eine klare Abgrenzung zum bürgerlichen Sport darstellten. (Info: )
Neu ist am Hamburger Turnfest der Versuch, dem ganzen Spektakel einen grünen Anstrich zu verpassen: 1000 Fahrräder werden den Teilnehmern zur Verfügung gestellt, die U-Bahnen fahren häufiger, und es wird keine Pappteller und Einweg-Becher geben. Ebenfalls sind die Organisatoren bemüht in Hamburg auch erstmals dem Zahlenverhältnis der Geschlechter Rechnung zu tragen: Frauen und Mädchen, die im DTB nahezu eine Zweidrittelmehrheit haben, aber auf Funktionärsebene kaum vertreten sind, demonstrieren ein gewachsenes Selbstbewußtsein. Erstmals wird bei einem Turnfest ein eigener Veranstaltungsbereich, die „Landungsbrücke“ in der Messehalle 1 eingerichtet, zu dem Männer keinen Zutritt haben. kader
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen