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Demo gegen die Justiz

■ Antifaschisten wollen breites Bündnis / Verdächtige sollen wegen überzogener Vorwürfe freigelassen werden

„UnterstützerInnen für die inhaftierten und verfolgten AntifaschistInnen“ rufen für Samstag kommender Woche zu einer bundesweiten Demonstration in Berlin auf. Mit der Großdemo soll für ein Bündnis aller geworben werden, „die sich dem menschenverachtenden Faschismus entgegenstellen“, heißt es auf einem bundesweit verteilten Flugblatt. Die Demo wird von Ulla Jelpke, Bundestagsabgeordnete der PDS, und Hans Köbrich von der IG Metall, Mitglied einer bundesweit organisierten ImmigrantInnen-Gruppe, unterstützt.

Anlaß des Protestzuges, der vom Breitscheidplatz über Charlottenburg zum Knast in Moabit gehen soll, ist die vom Unterstützerkreis festgestellte Kriminalisierung des „antifaschistischen Widerstandes“. Als Belege für die Kriminalisierung führte gestern Mitorganisator Raul Zelya einen derzeit laufenden Prozeß gegen einen Wiesbadener an sowie die Inhaftierung von vier Türken und einer Kurdin in Berlin. Die Verdächtigen würden „nicht für das verfolgt, was sie getan haben“.

Dem Wiesbadener soll die Staatsanwaltschaft vorhalten, Autoscheiben von Mitgliedern der rechtsextremistischen Deutschen Alternative eingeschlagen zu haben. Laut Demo-Aufruf wurde der Wiesbadener alleine auf Grund dieses Vorwurfs sechs Monate in Untersuchungshaft gehalten. Den seit November vergangenen Jahres in Berlin Inhaftierten wirft die Staatsanwaltschaft die Beteiligung an einem Überfall auf die rechtsextreme Deutsche Liga für Volk und Heimat (DL) vor. Bei dem Überfall im April 1992 war der Schatzmeister Gerhard Kaindl getötet worden. Zwei der Verhafteten haben inzwischen weitreichende Aussagen gemacht. Zelya warf der Justiz vor, den Verdächtigen Mord vorzuwerfen, obwohl es deutliche Hinweise gebe, daß der Tod von Kaindl nicht beabsichtigt gewesen war.

Zentrale Forderung der Großdemo ist denn auch, „antifaschistische Gefangene“ freizulassen und Haftbefehle aufzuheben. „Wir sprechen der deutschen Justiz das Recht ab, über Antifaschisten Urteile zu sprechen“, sagte Zelya.

Ulla Jelpke untermauerte die Kritik an Justiz und Strafverfolgungsbehörden. Die Abgeordnete kritisierte das Bundesamt für Verfassungsschutz, weil es Antifaschisten und -rassisten als „besonders gefährlich“ darstelle. Auch die Justiz ermittle bei minderen Delikten vorschnell wegen des Verstoßes gegen den Paragraphen 129a („Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“). Gegen rechte Straftäter, die in den vergangenen zwei Jahren 80 Menschen umgebracht hätten, werde dagegen gar nicht oder zurückhaltend vorgegangen. Dirk Wildt

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