piwik no script img

Die Einsamkeit zu zweit

Der Kampf gegen die Nichtakzeptanz der Außenwelt schmiedet zusammen und wirft die Partner auf sich selbst zurück. Eine Bilanz  ■ von Bahman Nirumand

taz: Sie haben zehn Jahre lang in gemeinsamer Ehe mit einem Nigerianer hier in Deutschland gelebt. Wie würden Sie im Rückblick diese Beziehung beurteilen?

Ulrike Okenwa: Ich war Studentin, als ich meinen Mann in Marburg kennenlernte. Er gehörte zu den Bürgerkriegsflüchtlingen. Für mich war diese Beziehung nichts Ungewöhnliches. Vor ihm war ich schon mit anderen Ausländern befreundet gewesen. Er lebte seit sieben Jahren in Deutschland, sprach fließend Deutsch und war als Student in akademischen Kreisen integriert. Probleme gab es mit meiner Familie. Mein Vater wollte ihn unter keinen Umständen akzeptieren. Er ging dabei so weit, daß er meiner Mutter, die mir gegenüber Verständnis aufbrachte, mit Scheidung drohte. Doch ich ließ mich nicht umstimmen und setzte meinen Willen, ihn zu heiraten, durch. Es bedurfte schwerer Kämpfe, bis er in unsere Familie einbezogen wurde und mein Vater ihn als einen normalen Schwiegersohn betrachtete. Dennoch behielt er seine generell ablehnende Haltung gegen den Ausländern.

Es war sicherlich nicht nur die Familie, die Ihnen ablehnend gegenüberstand.

Eigentlich hatten wir in unserem studentischen Freundeskreis keine Probleme damit. Da gab es mehrere bikulturelle Paare. Schwieriger ließ sich unsere Beziehung zu normalen deutschen Familien gestalten. Da haben wir nie eine tatsächliche Nähe erreichen können. Eine Distanz, eine gewisse Fremdheit war immer spürbar. Ich hatte oft den Eindruck, daß dies den Leuten selbst nie richtig bewußt war. Sie waren auch keine Rassisten. Doch es gab eine Mauer, die sie nicht überwinden konnten.

Wie war es zwischen Ihnen beiden? Hatten Sie Schwierigkeiten, die kulturellen Mauern zu überwinden?

Wir haben uns einander angepaßt und haben dadurch eine recht intensive Beziehung geführt. Sicherlich gab es auch unterschiedliche Auffassungen und Verhaltensnormen, die recht tief saßen. Zum Beispiel hatte ich mehr Familiensinn als er. Ich wollte mich eher auf unsere Beziehung konzentrieren und auf unser Kind. Er hingegen richtete seine Aufmerksamkeit mehr nach außen. Erst habe ich das als Mißachtung meiner Person verstanden, später aber habe ich auch durch mehrere Aufenthalte in Nigeria begriffen, wie Ehen in der Familiengemeinschaft aufgehoben sind. Die sogenannte Einsamkeit zu zweit ist in deren Kulturkreis nahezu unbekannt.

Diese Erkenntnis war für mich recht fruchtbar. Den Zusammenhalt der Verwandtschaft habe ich als sehr positiv empfunden. Sie verleiht Sicherheit, Geborgenheit, Wärme, all das, was man bei uns kaum kennt. Hier wird die Verwandtschaft eher als eine Last empfunden.

Aber auch er hat aus unserem Kulturkreis einiges aufgenommen. Auch er versuchte, den Umgang mit Verwandten einzuschränken. Er begriff allmählich, daß Frauen, auch Ehefrauen, Freiräume brauchen, daß ihr Kampf um ihre Rechte nicht unbedingt als Feindschaft gegen den eigenen Mann und gegen die Männer im allgemeinen verstanden werden muß. Doch dieses Problem haben wir ja auch mit deutschen Männern. Es ist also nichts Kulturspezifisches.

Das sind Stufen der Annäherung, die es in jeder Beziehung gibt.

Nicht immer. Wir mußten allmählich lernen, die gleiche Sprache zu sprechen. Oft lösten dieselben Wörter und Begriffe unterschiedliche Assoziationen bei uns aus, so daß wir häufig aneinander vorbeiredeten. Doch anfangs haben wir diese Probleme nicht bewußt wahrgenommen oder sie vielmehr verdrängt. Der Kampf gegen die Nichtakzeptanz der Außenwelt hat uns zusammengeschmiedet. Viele Ehen halten diesen Kampf nicht durch und scheitern deshalb.

Hatten Sie auch Probleme oder andere Vorstellungen in bezug auf Kindererziehung?

Ja, das war eines unserer Hauptprobleme. Er vertrat die Ansicht, die Kinder sollten autoritär erzogen werden, wollte dem Kind kaum Rechte einräumen. Seiner Meinung nach brauchte das Kind zum Beispiel kein eigenes Zimmer, wenig Spielzeug. Da ich der gegenteiligen Meinung war, empfand unsere Tochter eine größere Neigung zu mir. Auch dies lieferte Anlaß zu Konflikten.

Die Tochter ist jetzt 15 Jahre alt. Ist sie deutsch oder nigerianisch?

Ich würde sagen: deutsch. Aber ihr Aussehen, die Reaktionen der Umwelt, auch die ausländerfeindlichen Ereignisse in Deutschland führen dazu, daß sie sich oft auch als Ausländerin fühlt. Das hat dann mit Erziehung nichts mehr zu tun. Es ist die Umwelt, die Menschen im eigenen Land zu Fremden macht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen