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Haiti: Das ärmste Land Amerikas wird ärmer

■ Embargo trifft vor allem die USA-orientierte Exportindustrie

Port-au-Prince (dpa) –

Die Karibikrepublik Haiti, mit einem Bruttosozialprodukt pro Kopf von rund 350 US-Dollar (Westdeutschland: knapp 26.000) schon das ärmste Land der westlichen Hemisphäre, wird immer ärmer. Die seit dem Sturz des demokratisch gewählten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide im September 1991 verhängten Sanktionen haben zwar ihr politisches Ziel der Wiederherstellung der Demokratie bisher nicht erreicht, die Auswirkungen von Handelsbeschränkungen und Energieverknappung auf die Wirtschaft sind jedoch beträchtlich.

Das Bruttosozialprodukt des Landes mit rund 6,6 Millionen Einwohnern ging 1992 um zehn und 1993 noch einmal um vier Prozent zurück, das Pro-Kopf-Einkommen sank in den zwei Jahren um 18 Prozent. Das Embargo, so Pierre-Marie Boisson, Chef-Volkswirt der Sogebank, der größten Privatbank des Landes, ließ vor allem die Exporte schrumpfen. Viele Lohnveredelungsbetriebe, die früher Baseballhandschuhe und -bälle oder Kleidungsstücke herstellten, haben ihre Pforten geschlossen. Auch die Kaffeeausfuhr erlitt einen schweren Einbruch.

Nach Aussage des Präsidenten der Industrie- und Handelskammer Haitis, Raymond Roy, haben von einst 200.000 Beschäftigten in den knapp 300 Mitgliedsfirmen der Kammer seit dem Putsch vor zweieinhalb Jahren 150.000 ihren Arbeitsplatz verloren. Die Zahl der Arbeitslosen und Unterbeschäftigten in Haiti wird heute auf etwa 60 Prozent geschätzt.

Einen leichten Aufschwung verzeichnete 1993 in Haiti das Hotelgewerbe – wegen der vielen ausländischen Beobachter und Journalisten, wie es im Geschäftsbericht der Sogebank heißt. Der Tourismus, einst eine der wichtigsten Devisenquellen, liegt völlig am Boden. Schon zwischen 1980 und 1990 war wegen der politischen Instabilität die Gästezahl von jährlich 300.000 auf 55.000 zurückgegangen. Heute verirrt sich kaum noch ein Urlauber nach Haiti.

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