Flachs und Fiction

■ Larry Beinhart liest seine Verschwörungstheorie vor

Wenn Saddam Hussein wirklich ein neuer Hitler ist, wie kommt es dann, daß er noch im Amt ist? Warum war die Pressearbeit und die Finanzierung im Golfkrieg so gut, obwohl sie in Granada, Panama und Vietnam so schlecht war? Warum, schließlich, gab es nie Leichensäcke zu sehen?

Mit solchen Fragen endet der Roman American Hero des amerikanischen Autors Larry Beinhart, der im Verlag Kiepenhauer & Witsch erschien. Aber im Grunde gelten diese Fragen als Ausgangspunkt für eine breitangelegte Verschwörungstheorie, die folgender Hypothese nachgeht: Der Golfkrieg hat in der Realität nie stattgefunden. Was wir damals auf CNN tagelang verfolgten, war nur ein Film; die TV-Bilder boten in Wirklichkeit die größte Hollywood-Produktion aller Zeiten, nur inszeniert, um die Wiederwahl des damaligen Präsidenten George Bush zu sichern.

So wie es angebracht ist, eine gute Lüge mit einigen wahren Elementen zu garnieren, vermischt Larry Beinhart verwegen Flachs und Fiction zu einem explosiven Gemisch, das den Motor aller Verschwörungstheorien antreibt. Solche Theorien, die an den offiziell verlautbarten Versionen vorbeigehen, erfreuen sich auch hierzulande großer Beliebheit; gerade in Zeiten, in denen nur noch etwa ein Viertel der Mediennutzer, das, was sie wahrnehmen, für real halten.

In den USA erschien eine Vielzahl von Sachbüchern zur Operation Wüstensturm, im einzelnen von Beinhart angeführt, die sich dieser anderen Sichtung der Geschichte verschrieben haben. Doch Beinhart geht in seinem „Roman mit Fußnoten“ noch einen Schritt weiter und koppelt seine Kriegs-Version mit einer Nebenhandlung aus hartgesottenen Detektiven, Ninja-Kämpfern, Film-Diven und hollywoodeskem Klatsch und Tratsch.

Ähnlich wie in dem Kennedy- Film JFK von Oliver Stone, dem letzten großen amerikanischen Versuch, subversive Geschichtsschreibung zu popularisieren, ist dies aber ein zweischneidiges Schwert. Einerseits erreicht der 47jährige New Yorker Autor andere Leser als jene, die ohnehin von einer unauflöslichen Verquickung von Kapital, Medien und Regierung überzeugt sind. Andererseits mindert er die politische Sprengkraft der allzu berechtigten Zweifel am unblutigen „chirurgischen Eingriff“, wie der Golfkrieg von offizieller Seite gern genannt wurde. Das riecht nach einem Drehbuch für Hollywood.

Und gewiß säße Oliver Stone bereits in seinem Regiestuhl, wenn der eigentliche Hauptdarsteller von American Hero nicht ein (Kriegs)-Film wäre.

Volker Marquardt

Lesung von Larry Beinhart heute, 19 Uhr, Markthalle