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Konferenz der Phantasielosigkeit

■ Das Land Berlin gibt für die Weltmetropolenkonferenz 750.000 Mark aus / An mutigen Konzepten mangelt es auch andernorts

Eine Redakteurin vom Privatsender Sat.1 irrte hilflos vor dem Fernsehturm am Alexanderplatz herum. „Worüber kann man bloß bei der Weltmetropolenkonferenz berichten?“ fragte sie Kollegen. Doch niemand wußte eine Antwort. Gestern mittag war der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) mit seinen Gästen aus 26 Millionen-Städten gerade in dem Turm zum Speisen verschwunden, aber auch der Weltmetropolen-Chef konnte nur vage Anregungen benennen, die er in den ersten beiden Tagen der Konferenz bekommen haben will.

Diepgen glaubte bei der Abfallentsorgung – gestern drehte sich die 4. Gipfelkonferenz der Weltmetropolen um Umweltprobleme – „konkrete Hinweise“ in den Beiträgen von Paris und Wien entdeckt zu haben. Doch beide Städte haben gar keine neuen Ideen entwickelt: Sie wollen nur noch mehr Müll verbrennen als bisher.

Politiker und Journalisten haben längst erkannt, daß am Tagungsort, im Preußischen Landtag, nichts geboten wird, was die Posemuckelpolitik der Großen Koalition beeinflussen könnte. Die Zuschauertribüne im Abgeordnetenhaus war gestern nahezu leer. Dieses Bild stand im krassen Widerspruch zu Diepgens Eröffnungsrede, in der er am Montag Berlin als einen „interessanten Ort des Austausches zwischen Ost und West, Nord und Süd“ beschrieben hatte. Daß gestern von den 168 Sitzen nur 13 besetzt waren, konnte aber selbst der Metropolenmacher nicht mehr übersehen. „Die Konferenz ist nicht dafür da, Zuschauertribünen zu füllen“, kommentierte er.

Auf der Tribüne waren gestern nur die Grünen vertreten. „Die Frage ist doch, ob die Konferenz überhaupt etwas bringt“, begründete FDP-Fraktions-Chef Axel Kammholz in der Abgeordnetenhaus-Kantine das Desinteresse seiner Kollegen.

Auch Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) hat durch die Mammut-Veranstaltung offenbar bislang keine neuen Ideen bekommen, obwohl sich am Montag die Bürgermeister von Lima bis Tokio über nichts anderes als die Lösung von Verkehrsproblemen unterhalten hatten. In allen 26 teilnehmenden Städten nimmt der Verkehr zu, doch keine Stadtregierung steuert den überall wachsenden Zulassungszahlen entgegen. Kein Wunder, daß Haase denn auch nichts anders machen will als bisher: „Das ist doch auch nicht die Aufgabe der Konferenz.“

Warum denn aber wird der Schwafel-Gipfel bloß veranstaltet? Bundessenator Peter Radunski (CDU) ist überzeugt, daß „interessante bilaterale Kontakte“ entstehen. Die Gespräche etwa mit Buenos Aires und Bangkok seien nötig, da Berlins Verbindungen in die große weite Welt schlechter seien als gemeinhin angenommen. Wenn jetzt Berlins Regierender in andere Metropolen reise, sagte Radunski, kenne er immerhin schon jemanden. Das Kennenlernen läßt sich Diepgen mit 750.000 Mark einiges kosten – aus der Landeskasse, versteht sich. Dirk Wildt

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