: Rücktritt in Moskau
■ Schachrai verläßt die Regierung nach Desavouierung durch Jelzin
Moskau (dpa) – Der bisherige russische Nationalitätenminister und Vize-Regierungschef Sergej Schachrai ist gestern aus der Regierung ausgetreten und hat sein Ausscheiden mit der Warnung vor einer schweren Staatskrise verbunden. Schachrai, über lange Jahre einer der wichtigsten Berater von Präsident Boris Jelzin, erklärte seinen Rücktritt als Vize-Regierungschef, nachdem er am Montag von Jelzin als Nationalitätenminister entlassen worden war. Neuer Nationalitätenminister ist der bisherige Verwaltungschef des Gebietes Krasnodar, Nikolai Jegorow.
„Wenn das Problem der gegenseitigen Unternehmensverschuldungen nicht unverzüglich gelöst wird, wird die Regierung nicht überleben“, warnte Schachrai, der auch Chef der Partei der Russischen Einheit und Eintracht ist. Es sei nicht ausgeschlossen, daß Regierungschef Viktor Tschernomyrdin im August seinen Rücktritt anbieten müsse. Dies würde die Konfrontation zwischen dem mehrheitlich nationalistischen und kommunistischen Parlament und Präsident Boris Jelzin verschärfen, meinte Schachrai.
„Mein Rücktritt bedeutet nicht, daß ich in Opposition zum Präsidenten oder zur Regierung gehe“, sagte Schachrai vor Journalisten. Am Montag hatte es zunächst geheißen, Schachrai solle als Vize- Regierungschef weiterhin für Nationalitätenfragen zuständig sein. Der Posten des Vize-Regierungschefs ist in der Regierung wichtiger als der des Ministers. Sein Rücktrittsgesuch begründete Schachrai unter anderem damit, daß er über die bevorstehende Ablösung als Minister nicht informiert worden sei. Der Ministerwechsel war vom Präsidialamt mit einem Scheitern Schachrais beim Umgang mit Nationalitätenkonflikten begründet worden.
Mit Schachrai scheidet einer der wenigen in der Regierung verbliebenen Politiker aus, die dem Reformlager zugerechnet werden. Zu dieser Gruppe, die einst von dem auch bereits abgelösten Radikalreformer Jegor Gaidar angeführt wurde, zählen in der Regierung noch Privatisierungsminister Anatoli Tschubais und Außenminister Andrej Kosyrew.
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