Vielfalt ist Konzept

■ Egal wie das Wetter wird, Pfingsten ist gerettet: 10. No-Budget-Kurzfilm-Festival bis zum 23. Mai

Aus Kurzfilm-Freaks wurden Profis: Das dienstälteste Hamburger Filmfest, das heuer erstmals unter dem Doppelnamen No-Budget-Kurzfilm-Festival firmiert, feiert sein zehnjähriges Jubiläum. Mit einem Etat von insgesamt 270.000 Mark wird es in diesem Jahr 13 Vorstellungen mehr geben als 1993, als man 15.000 Besucher und Besucherinnen zählte. Zum Fest-Finale 1993 hatte es allerdings heftige Kritik gegeben, das Festival habe den rauhen Charme der frühen Jahre verloren. Die Jury des No-Budget-Wettbewerbs hatte keinen Preis vergeben, da ihrer Ansicht nach kein No-Budget-Werk im Rennen gewesen war.

Also ist etwas geschehen: „Wir wollten nicht beleidigt sein, sondern haben geschaut, was daran berechigt war und was nicht“, sagt Markus Schaefer, Initiator des Festivals und seit 1993 Leiter der ersten Agentur für Kurzfilme in Deutschland. Nun ist die Erbsenzählerei, welcher Film in welchen Wettbewerb gehören könnte, vorbei. Es zählen nicht mehr nur Produktionskosten, sondern auch inhaltliche Kriterien. Eine Jury aus erklärten Fans der Kunstform No-Budget-Film - neben den Filmemachern Hanna Nordholt und Fritz Steingrobe auch die Warnix-Machtnix-Crew vom Lichtmeß-Kino - stellte den Wettbewerb des widerspenstigen Billig-Films zusammen, in dem sieben Programme zu Themenkreisen wie „Rituale“, „Kinderkram“ oder „Unzivilisiert“ zu sehen sind. Für die acht Programme des Internationalen Wettbewerbs wählten Festivalleiterin Birgit Kämper, Markus Schaefer und Kirsten Rick die Filme aus. Dabei empfahl die No-Budget-Jury auch mal einen Film der Jury fürs Internationale oder umgekehrt.

Neben den Wettbewerben geben verschiedene Reihen Einblicke in Geschichte und aktuelle Tendenzen des Kurzfilms. Eine Werkschau würdigt den surrealistischen tschechischen Filmemacher Jan Svankmajer, der mit seinen subversiven Bilderwelten dem eindimensionalen Weltbild des einstigen Regimes der CSSR widersprach. In Zusammenarbeit mit Hamburgs Partnerstadt entstand das Programm „Prager Kurzfilme“, mit neuem aus der goldenen Stadt, deren Filmszene derzeit ziemlich am Boden liegt - zwar ist die Zensur abgeschafft, aber nun fehlt das Geld.

Kirsten Rick, die für die traditionellen First-Steps-Programme schon etliche Archive durchforstete, hat inzwischen schon Probleme, Erstlingswerke späterer Regie-Stars zu bekommen: „Dieses Jahr wurde ich wirklich mit Absagen überhäuft, aber es waren auch nette dabei.“ Von John Waters zum Beispiel, der noch ein paar Super-8-Filme im Schrank habe und meint, die lägen dort auch gut. Dafür konnte sie frühe Filme von Krzysztof Kieslowski, Wolfgang Petersen, aber auch von Marie Menken und William S. Burroughs ausgraben.

Solche Frühwerke finden sich auch in den drei Science-Fiction-Programmen, die Birgit Kämper zusammenstellte: Wir verbauen 3 x 27 Milliarden Dollar in einen Angriffsschlachter, den Alexander Kluge 1971 drehte, oder La Jetée von Chris Marker, ein Blick auf die Erde nach dem 3. Weltkrieg und ein Film, der - bis auf eine einzige Einstellung - nur aus Standfotos besteht, oder THX 1138: 4 EB (Electronic Labyrinth), ein Kurzspielfilm von George Lukas aus dem Jahr 1967.

Der „Flotte Dreier“-Wettbewerb - diesmal zum Thema „Der Kanzler stirbt“ (das laut Schaefer nicht dazu beitrug, daß der letztjährige Sponsor absprang) - und das Jubelprogramm mit dem Schönsten aus zehn Jahren No-Budget-Festival runden das Bild ab. Also: Augen auf zur Sehnervengymnastik!

Julia Kossmann

Die Festival-Kinos sind das Metropolis, 3001 und Neues Cinema