piwik no script img

Kostenexplosion als Wirtschaftsförderung -betr.: "Mal eben 500.000", taz vom 7.5.94 und "Hochbauamt baut teuer und langsam"., taz vom 8.4.94

Betr.: „Mal eben 500.000“ , taz v. 7.5. und „Hochbauamt baut teuer und langsam“, taz v. 8.4.

Als Vorschlag für einen nächsten Kommentar könnte ich anbieten: „Der Kauf einer tageszeitung scheiterte bisher daran, daß die taz Genossenschaft 1,90 Mark haben wollte. Jetzt gibt es eine gebildete Zeitung für nur 50 Pfennig“.

Man könnte meinen, Klaus Wolschner war im früheren Leben einmal Milchmädchen: Immerhin weiß er, daß 3,5 Millionen für eine Aufhänge-Vorrichtung für Beleuchtung und Beschallung in der Stadthalle mehr sind als 1 Million. Bei Aufhängevorrichtungen ist es aber wie bei allem, was man kaufen kann. Da gibt es Billiges und Besseres (und es gibt welche, die besser sein wollen, s.o.). Ansonsten muß die Milch bei der Pressekonferenz von Claus Jäger so gut gewesen sein, daß das Milchmädchen ungefragt die z.Zt. modische Privatisierungsmanie übernimmt. Welch Auswüchse das HOHE Lied der Privatisierung über alles zur Folge hat, läßt sich am Beispiel des Uni-Gästehauses zeigen (vgl. taz, 8.4.). Da baut der private Investor angeblich 25 Prozent billiger und alle sind glücklich. Die Absenkung des ökologischen Standards um vermutlich ebenfalls 25 Prozent (z.B. elektrische Durchlauferhitzer für die Warmwasserbereitung) wird knapp im Nebensatz erwähnt. Inzwischen bietet der Umweltsenator Fördergelder an, um den Verzicht auf Energiefresser doch noch zu erreichen. Im Endeffekt zahlt das Land Bremen genauso viel wie vorher, aber mit Buchhaltertricks und vielen Sandsäcken in den Augen ist alles wunderschön vertuscht. Womöglich erwünschter Nebeneffekt: Der Etat des Umweltsenators wird von den anderen Ressorts verteilt und es besteht keine Gefahr, daß irgendwelche grünen Ideen umgesetzt werden.

Für höhere Preise bei öffentlichen Bauvorhaben gibt es zudem einen handfesten Grund: Private Bauherren können Preisverhandlungen durchführen, öffentlichen Auftraggebern ist dies nicht gestattet. Wenn es Hernn Jäger und Co. um die Sache ginge, würden sie zusehen, daß alle möglichen unsinnigen Verwaltungsvorschriften beseitigt würden. Und wenn sie souverän wären, würden sie auch erzählen, wer bisher ganz gut daran verdient hat: Die Klientel der FDP, das freie Unternehmertum. Wie wäre es, wenn der Wirtschaftssenator Mehrkosten bei öffentlichen Bauvorhaben als Wirtschaftsförderung verbuchen würde, damit würde dann auch gleich manch andere unsinnige Idee aus dem Hause des Herrn Jäger blockiert.

Aber einfacher ist es ja, die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes , für dumm, faul, und unfähig zu erklären. Und notfalls hilft man dem Vorurteil noch auf die Sprünge: Wenn der Wirtschaftssenator die rechtzeitig für ein Kalenderjahr beantragten Mittel erst am 30. 6. freigibt, aber auf Verwendungsnachweisen bis zum 31.12. besteht, muß sich keiner wundern, wenn die bewilligten 3 Millionen nicht zweimal umgedreht werden können vorm Ausgeben.

Das Hochbauamt ist im übrigen das Architekturbüro des Bauherrn Land Bremen, und wenn die Schule xy, das Krankenhaus yz oder die Stadthalle für ein Bauvorhaben unbedingt die Mercedes-Lösung haben will, ist das Hochbauamt ja wohl nicht an den Kosten schuld. Kleiner Nachtrag: Die Deckenaufhängung in der Stadthalle wird nach wie vor unter der Leitung des Hochbauamtes geplant und ausgeführt. Für 1 Million. Ralf Albrecht

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen