: Illegaler Müll kehrt heim
■ Container voller DSD-Müll im Bremerhavener Freihafen geöffnet / Absender und Spediteur: Alles legal / DSD-Tochterfirma DKR: Müllschmuggel
Zu Beginn eine Richtigstellung: Anders als in der taz angekündigt, stank es gestern im Freihafen des Bremerhavener Containerterminals nicht viel mehr als sonst. Denn der aus Singapur zurückgekehrte Plastikmüll roch zwar ordentlich modrig, aber nicht weiter penetrant.
Die Umstände, unter denen der Müll seinen Weg aus Deutschland nach Ostasien genommen hat, stinken dagegen weiterhin zum Himmel (siehe auch Seite 6). Die mit Spannung und großem Medienaufgebot erwartete Öffnung der 45 Container in Bremerhaven förderte auf den ersten Blick Unspektakuläres zu Tage: Dichtgepreßte Ballen von Plastikmüll mit dem Grünen Punkt, wie sie bei jedem Entsorgungsunternehmen zu bestaunen sind: Die üblichen Folien, Joghurtbecher und Shampooflaschen. Klaus-Michael Andreas von der Firma Rethmann, dem Absender der Müllfracht, konnte dann auch tief durchatmen, sich vor den Kameras in Positur stellen und verkünden: „Das Material sieht besser aus, als ich es erwartet hätte.“ Auch Christian Dömelt vom rheinisch-westfälischen TÜV, der das Material genauer unter die Lupe nahm, stufte das Zeug als „Mischkunststoff ein, der nach erstem Augenschein wiederverwendbares Material darstellt.“ Nachmittags bestätigte dann die Bremer Lagerhaus-Gesellschaft (BLG), daß der Müll nach einem Gutachten wahrscheinlich zur Verwertungsfirma von Rethmann, „Rethmann-plano“, geliefert werde. Der Müll, der zum Recyclen um die halbe Welt geschifft wurde, wird jetzt im heimischen Münsterland verwertet.
Die ganze Aufregung, so die vorherrschende Meinung, sei nur entstanden, weil die Behörden in der „Öko-Diktatur“ Singapur einen Sauberkeitsfimmel hätten und schlicht zu doof seien, um den feinen deutschen Unterschied zwischen Wertstoff und Plastikmüll zu begreifen. Hubert Amberg von der Münchner Spedition Universal, die an der Abwicklung des Mülldeals beteiligt war, stieß ins gleiche Horn: „Ich kann mir nicht erklären, warum die Behörden bei der Überprüfung das Material zurückgeschickt haben. Der Empfänger, die United Vinyl Corporation in Manila, hat ein deutsches TÜV-Zertifikat mit Nummer 155 und diese Genehmigung gilt.“
Das stimmt nicht, wie ein erneute Rückfrage bei der „Deutschen Gesellschaft für Kunststoff-Recycling“ (DKR), ergab. Geschäftsführer Michael Scriba ist nach wie vor der Meinung, daß der Transport illegal war. Denn für die Entsorgungsunternehmen in Deutschland ist die DKR als Tochter und Garantiegeber des Dualen Systems der einzige Ansprechpartner, wenn es um den Export von Plastikmüll zum Recycling geht. Und den Export der fraglichen 45 Container hat die DKR trotz Anfrage der Firma Rethmann nicht genehmigt.
Die Lizenzen für den Export von Plastikmüll zum Recycling in Ostasien vergibt die DKR in Zusammenarbeit mit dem TÜV Rheinland. Dessen Ingenieure haben der „United Vinyl“ im Januar 1993 einen Besuch abgestattet und einen „Erstbescheid“, der zur Lieferung von Material für drei Monate berechtigt, erteilt: „Kann mit DSD-Material beliefert werden, wenn entsprechende Verträge abgeschlossen sind“, heißt es in einem internen Vermerk des TÜV Rheinland, Dienststelle Hong Kong, vom Februar 1993. Ein Jahr später ist allerdings beim TÜV davon die Rede, daß für „United Vinyl“ ein „endgültiger Dispo-Stop“ bestehe. Michael Scriba von DKR gibt den Grund dafür an: „Eine Lizenz bekommen nur die Betriebe, die Verwertungskapazitäten haben und sich kaufmännisch korrekt verhalten. Diese Korrektheit hat United Vinyl vermissen lassen. Sie haben schon vorher versucht, an uns vorbei über einen niederländischen Müllhändler DSD-Wertstoffe zu bekommen. Deshalb geben wir diese Firma nicht zur Belieferung mit DSD-Material frei.“
Der erwähnte niederländische Müllhändler heißt Ivo Besselsen und besitzt die „Beside B.V.“, die sich an dem Müllexport aus Europa in die weite Ferne eine goldene Nase verdient. Die Firma ist für die DKR ein rotes Tuch – „Mit dem Mann machen wir keine Geschäfte“. In der Bremer Umweltbehörde wird Besselsen hinter vorgehaltener Hand als „absoluter Dealer“ bezeichnet. Auf den Frachtpapieren der Mülltransporte tritt die „Beside B.V.“ als Auftraggeber für die Verschiffung nach Manila auf – vertreten durch die „Theuerkauf-Spedition“ aus Halle und mit dem Empfänger „Krypton Plastic Industries“ und „Perennial Vinyl Corporation“ - laut Bericht des TÜV Rheinland Hong Kong beides Tarnadressen für die „United Vinyl Corporation“, mit der deutschen Plastikhändlern das Geschäftemachen von der DKR untersagt ist. Gestern war auch Besselsen in Bremerhaven, um zu beteuern, daß es nur an den Behörden in Singapur liege, daß etwas schiefgelaufen ist. „Normalerweise gehen die Transporte über Rotterdam, und da gibt es nie Probleme.“ Auch er vermutet einen Betriebsunfall und schwört Stein und Bein, daß die Firma „United Vinyl“ ein Zertifikat des deutschen TÜV für Plastikrecycling hat.
Die Kosten für Rücktransport, Löschung, Gutachten und Verwertung des Mülls belaufen sich nach Angaben von Hafenexperten auf „eine üppige sechsstellige Summe“. Allein 250.000 Mark hat der Rücktransport aus Singapur gekostet, meint Hubert Amberg von der Spedition Universal. Bei einem Preis von 450 Mark pro Tonne dürfte das etwa der Gewinn sein, den die Spediteure mit den 45 Containern gemacht haben.
Bernhard Pötter
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