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Platonisch-christliche Leibfeindlichkeit

■ betr.: „Einfach und köstlich zu gleich“, taz vom 7.5.94

Jörg Lau scheint bei seiner Kitschanalyse, insbesondere bei der Rezension von Christa Wolfs letzter Veröffentlichung, seine eigene unvollständige Säkularisierung nachholen zu wollen. Anders ist mir seine polemische Bibelzitatensammlung nicht erklärbar.

Das ausschließliche Hervorheben der christlichen Mythologie im Zusammenhang von Brot und Weingenuß läßt außerdem noch auf mangelnde Kenntnis (auch auf fehlende sensorische Sensibilität) im Zusammenhang von den tatsächlich landschaftsbedingten Qualitätsunterschieden von Lebensmitteln schließen. Äußern sich Literaten und Philosophen zu trivialen Alltäglichkeiten, so rümpft der Intellektuelle schnell die Nase ob Niedrigkeit. Auch wenn der Mensch nicht nur von Brot und Wein lebt, so gibt die Abwertung der niederen Sinne doch Aufschluß auf den, der sich äußert. Platonisch-christliche Leibfeindlichkeit gehen hier ineinander über.

Statt dessen empfehle ich einige Aphorismen aus Nietzsches „Der Wanderer und sein Schatten“ in Menschliches, Allzumenschliches II, bei denen den Sinnen wieder ihre Bedeutung eingeräumt wird, zum Beispiel Aph. 102: „... Man kann bei Tische über die feinsten Geheimnisse der Künste Aufschluß erhalten: man beachte, was schmeckt, wann es schmeckt, wonach und wie lange es schmeckt.“ Wir wollen hoffen, daß die geschätzte Kulturredaktion vor lauter „höherer Kultur“ die niederen Sinne wie den Geruchs- und Geschmackssinn (Kant) nicht aus den Augen verliert. [...] Christian Bley, Fulda

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