: Ein Abschiebestopp für KurdInnen?
■ Rupert von Plottnitz, Fraktionsvorsitzender der Grünen in Hessen
taz: Sie haben dem hessischen Innenminister Herbert Günther vorgehalten, daß Abschiebungen von Kurden in die Türkei gesetzeswidrig sind?
Rupert von Plottnitz: Das gilt nach der Abschiebung einer kurdischen Familie aus Kassel. Die hat neue Fakten geschaffen. Solange nicht widerlegt ist, daß Menschen in Istanbul mißhandelt und gefoltert worden sind, darf nicht weiterhin in die Türkei abgeschoben werden.
Inzwischen ist diese Kontroverse mit Günther jedoch überholt. Die SPD-Fraktion im Landtag hat heute erklärt, daß auch sie einen erneuten Abschiebestopp in Hessen für möglich und notwendig hält. Die Hinweise von Bundesaußenminister Kinkel und die Entscheidungen von Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben eine neue Situation geschaffen.
Sieht das auch Innenminister Günther so?
Günther hatte ja schon zweimal im Alleingang Abschiebestopps verhängt. Deren Verlängerung scheiterte stets am Bundesinnenminister. Über fast drei Jahre hinweg ist aus Hessen auch nicht in die Türkei abgeschoben worden. Angesichts der neuen Fakten wird niemand mehr den eigenen hessischen Handlungsspielraum bestreiten.
Gerichtsurteile, zum Beispiel in Augsburg, geben Rheinland- Pfalz, Schleswig-Holstein und dem Saarland recht.
Das stimmt nicht ganz so. Die Rechtssprechung ist nach wie vor äußerst brüchig. Das Augsburger Verwaltungsgericht hat nur gesagt, ohne Sicherheitsgarantie aus der Türkei dürfe nicht abgeschoben werden. Solche Erklärungen hat auch Bundesinnenminister Kanther gefordert. Die wären aber nicht das Papier wert, auf dem sie stehen. Und die Beteuerungen der türkischen Regierung, die Menschenrechte zu achten, kümmert die türkischen Sicherheitsorgane doch einen feuchten Kehricht.
Die Grünen fordern von ihrem Koalitionspartner doch schon lange genug einen erneuten Abschiebestopp.
Ich bin froh, daß die SPD-Fraktion sich jetzt unserer Auffassung angeschlossen hat. Dazu gab es bekanntlich heftige Auseinandersetzungen mit der SPD, aber es wäre falsch, jetzt den politischen Rechthaber zu spielen und nachzukarten.
Wir wollten immer so viele Menschen wie möglich und nötig schützen und haben keinen Bedarf an weiterem Streit. Ministerpräsident Eichel wird sich in der Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag für einen Abschiebestopp, der für die ganze Bundesrepublik gilt, einsetzen. Wir sind zuversichtlich, daß es auch in Hessen dazu kommen wird, wenn dies an der Haltung der CDU scheitert.
Was halten sie vom Kirchenasyl?
Ich habe einen Heidenrespekt vor Bischof Lehmann und den Gemeinden, wenn sie sich, in Anbetracht der Versäumnisse in Bonn, von ihrem Gewissen leiten lassen und sich um den Schutz von Menschen bemühen, wo der Staat versagt hat. Das entspricht zwar nicht dem Asylbegriff des Grundgesetzes, hat aber deshalb nicht weniger Gewicht.
Interview: Heide Platen
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