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Subventioniertes Tralala

■ Staatstheater kämpfen um Einnahmen, aber erfüllen sie mit Musicals noch ihren Kulturauftrag? Schmidt-Chef Corny Littmann meint: "Nein!"

taz: Du hast angedroht, gegen die Vergabe von städtischen Subventionen an Theater zu klagen. Wann ist denn der Gerichtstermin?

Corny Littmann: Ich bin weder Jurist noch prozeßgeil. Wir prüfen, ob wir eine Chance haben, mit einer Klage wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht. Klage hin oder her, das Problem ist offensichtlich: Die Kultursenatorin behauptet, die Stadt unterstütze keine Musicals. Gleichzeitig nötigt sie die Staatstheater in Zeiten knapper Finanzen, zusätzliche Einnahmen zu erwirtschaften. Die wiederum veranstalten zunehmend Musicals, weil das die zuschauerträchtigen Stücke sind. Und wir sollen mal sehen, wie wir damit konkurrieren können.

Ist es in Zeiten leerer Kassen nicht legitim, neue Finanzierungsmöglichkeiten zu suchen?

Sicher doch. Aber meines Wissens sind Subventionen an die staatlichen Bühnen bisher immer an einen Kulturauftrag gebunden gewesen. Davon scheinen sich die Kulturbehörde und die Staatstheater klammheimlich zu verabschieden. Oder wie ist es anders zu erklären, daß der Kollege Baumbauer bei seinem Amtsantritt als Intendant des Deutschen Schauspielhauses vor einem knappen Jahr auf die Frage nach den Musicals öffentlich erklärt, so ein Tralala käme ihm nie ins Haus, und in wenigen Wochen steht mit "My fair Lady" und "42nd Street" eben dieses Tralala zwei Monate auf dem Spielplan des Schauspielhauses?

Außerhalb des regulären Spielplans...

Der Kulturauftrag des Schauspielhauses ruht also für zwei Monate. Unter Baumbauers Vorgängern ruhte er auch schon mal länger, beim "Blauen Engel", bei "Guys and Dolls", um nur zwei Beispiele außerhalb der Sommerzeit zu nennen. Interessant und aus unserer Sicht eben auch rechtlich höchst fragwürdig ist die Verschiebung der Subventionsideologie. Jahrzehntelang immer an den Kulturauftrag gebunden werden Kultursubventionen inzwischen mehr und mehr zu einer Frage der Wirtschaftlichkeit. Dagegen müßten eigentlich auch die Staatstheaterkollegen laut protestieren.

Was fordert ihr denn konkret?

Wir fordern und brauchen gleiche Wettbewerbsbedingungen. Konkret: Wenn zum Beispiel das Schauspielhaus "My fair Lady" spielt, soll es für diese Zeit anteilig auf seine Subventionen verzichten.

Wer zieht die Grenze zwischen Förderungswürdigkeit und Kom-merz?

Im konkreten Fall ist es einfach, weil Herr Baumbauer nicht in Abrede stellt, daß "My fair Lady" und "42nd Street" Musicals sind. Er stellt in Abrede, daß das Schauspielhaus für diese Zeit auf zwei Zwölftel seiner Subventionen verzichten sollte. Das wären ja auch schon sechs Millionen Mark.

Aber auch Du selber willst doch Geld für Deine Häuser haben.

Was die Theaterförderung angeht, wollen wir keine Staatsgelder haben. Es kann allerdings sein, daß wir durch Musicals an subventionierten Bühnen dazu genötigt werden. Das wäre ein absurdes Ergebnis dieser Kulturpolitik.

Ist das eine heimliche Drohung, oder geht's euch wirklich schlecht?

Es geht uns so gut, daß wir termingerecht die Löhne bezahlen können und so schlecht, daß wir uns immer noch keine neue Belüftungsanlage im Tivoli leisten können. Ironie der Geschichte ist: Wenn die Steuer nicht so gnadenlos zuschlagen würde, wenn wir als privates, unsubventioniertes Theater also wenigstens steuerlich erheblich begünstigt würden, dann ginge es uns wesentlich besser. Das ist leider ein Problem, das sich Kulturbürokraten nicht erschließt. Die kennen sich nur im Geldverteilen aus, sinnvolles Wirtschaften ist ein Fremdwort für die. Anders kann ich es mir auch nicht erklären, daß sich hier kaum ein Politiker für unser unsubventioniertes Theatermodell mit einer Vielzahl von verschiedenen Aufführungen interessiert.

Ich vermisse bei euch zunehmend experimentelle Programme. "Piaf" lief lange erfolgreich in Berlin, auch „Cabaret“ ist doch eigentlich eine sichere Bank.

Die meisten Künstlerinnen und Künstler aus „Cabaret“ kannte vor knapp einem Jahr kaum einer in Hamburg. Wenn das 'ne sichere Bank ist, frage ich mich, warum nicht mehr Menschen ein Theater aufmachen. Ich bestreite, daß wir keine jungen, unbekannten Künstler mehr veranstalten. Wir tun es sicherlich in einem anderen Rhythmus. Wir werden weiterhin regelmäßig im Herbst Kabarett und Komödianten mit in Hamburg unbekannten Künstlern veranstalten.

Warum habt ihr in letzter Zeit verstärkt Musiktheater im Programm?

Wir haben uns vor einem Jahr dafür entschieden, dieses Haus nicht zu einer reinen Adresse für Varieté-Theater zu machen. Stattdessen beschränken wir Varieté auf Sommer und Winter im Schmidt. Daraus folgend erhält das Musiktheater ein größeres Gewicht.

Ihr habt euch also bewußt in die starke Konkurrenz des Musicalmarktes begeben?

Varieté wäre sicher eher die Marktlücke gewesen als das Musiktheater. Aber wir haben uns dagegen entschieden, daß dieses Theater sehr stark von den bundesweiten Besucherströmen frequentiert wird, die per Bus und Bahn nach Hamburg gelenkt werden. Du wirst immer noch vergeblich nach Busunternehmen suchen, die hier ihre Ladung ausspeien, und es gibt hier auch kein Varieté-Programm, das allein durch die Namen von Herrn Paul oder Herrn Heller etikettiert wird. Wir werden stattdessen versuchen, die Linie des anspruchsvollen Musiktheaters fortzuschreiben.

Es sind also im Herbst neue Stücke zu erwarten?

Ja, mehrere.

Wirst du selbst wieder auf der Bühne stehen?

Ich habe mich in den letzten Monaten auf die Programmatik des Hauses konzentriert. Aber es drängt mich beizeiten schon auch wieder auf die Bühne.

Fragen: Werner Hinzpeter

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