Olympische Spiele in Rotenburg

■ Alle TeilnehmerInnen der Sportwettbewerbe leben mit einem fremdem Organ / „Sport steigert das Selbstbewußtsein“

Vor einem Jahr waren sie noch im kanadischen Vancouver, jetzt feiern sie ihr Wiedersehn in Rotenburg an der Wümme: Sportler aus Deutschland reisten dort in den vergangenen Tagen mit ihren Angehörigen an, um sich bei den Deutschen Leichtathletikmeisterschaften zu messen. Die Teilnehmer halten sich wie bei der „richtigen“ Olympiade an das Motto „dabeisein ist alles“, und doch gibt es einen kleinen Unterschied: In Rotenburg treten nur Sportler an, die mit einem fremden Organ leben.

Die meisten der rund 100 Teilnehmer bei den „15. Deutschen Meisterschaften der Organtransplantierten“ kennen sich schon seit Jahren. Regelmäßig nehmen sie an nationalen und internationalen Wettkäpfen dieser Art teil und ernten dabei erfolgreich Medaillen. Für Bernd Schneider aus Winsen an der Luhe ist Sport zu einem wichtigen Bestandteil seines Lebens geworden, seitdem ihm vor 16 Jahren die Niere eines Verstorbenen eingepflanzt wurde: „Die Abwehrkräfte erhöhen sich, und ich kann Medikamente einsparen, da sich mein Blutdruck reduziert hat“, erklärt er und freut sich.

Seine „Kollegen“ heben auch die sozialen und persönlichen Vorteile durch Sport für ihr neues Leben nach der Transplantation hervor: „Wenn wir uns wie jetzt bei Wettkämpfen wiedersehen, reden wir über alles mögliche – am wenigsten jedoch über unsere 'Krankheit'. Der Erfolg im Sport zeigt uns, daß wir Leistungen wie 'Gesunde' vollbringen können. Das steigert das Selbstbewußtsein.“

Wer mit einer fremden Niere lebt, hat sich zuvor meistens mehrere Jahre als Dialysepatient zu Hause oder im Krankenhaus einer regelmäßigen Blutwäsche unterziehen müssen. Vier Jahre dauert es im Durchschnitt, bis eine passende Niere für die Transplantation gefunden wird. Die Wartezeit soll inzwischen gestiegen sein: Die Diskussion um dubiose Handelsgeschäfte mit Organen im Ausland hat vermutlich viele Spendenwillige abgeschreckt. Manche Menschen tragen deshalb auch keinen Organspende-Paß mehr bei sich.

Die Sportler in Rotenburg halten derartige Berichte für überzogen. „Die Kontrollen in Deutschland sind wesentlich strenger als im Ausland. Nur diejenigen kommen als Organspender in Frage, deren Wille nachweisbar ist. Außerdem müssen ja auch noch die Angehörigen damit einverstanden sein.“

Für die meisten Menschen sei das Thema Organspende jedoch ein Tabuthema, wissen die Sportler: „Man setzt sich erst damit auseinander, wenn man selbst von einer schweren Organkrankheit betroffen ist.“

Hans-Christian Wöste, dpa