: Abtörnende Debatte
■ CDU will Besitz geringer Mengen harter Drogen weiterhin strafrechtlich verfolgen / Jugendsenator: "Populismus"
Die CDU macht weiter Front gegen einen liberalen Umgang mit Drogenabhängigen. In der gestrigen Fragestunde im Parlament befürchtete der CDU-Abgeordnete Ulrich Krüger, daß junge Menschen durch das „Vorpreschen“ des nordrhein-westfälischen Justizministers in ihrem Rechtsbewußtsein verunsichert würden. Der Justizminister will auch den Besitz geringer Mengen harter Drogen für straffrei erklären. Die Berliner CDU sprach sich erneut gegen eine Freigabe auch geringer Drogenmengen aus.
Offenbar hatten die Berliner Christdemokraten die bundesweite Drogendebatte in den vergangenen Jahren nicht aufmerksam verfolgt. Justizsenatorin Maria Peschel-Gutzeit (SPD) mußte den Koalitionspartner daran erinnern, daß die in Nordrhein-Westfalen geplante Richtlinie in Hamburg, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Baden-Württemberg längst in Kraft ist. Eine Rechtsunsicherheit habe bislang nicht festgestellt werden können. Peschel- Gutzeit hob hervor, daß es außerdem nicht um eine Freigabe von Drogen gehe, sondern um das Absehen von Strafverfolgung in bestimmten Fällen. In Berlin wird derzeit eine entsprechende Richtlinie von ihrer sowie der Innen- und Justizverwaltung erarbeitet. Sie soll im Juni vom Senat beschlossen werden.
Mit der Richtlinie soll auf Länderebene umgesetzt werden, was der Bundesgesetzgeber – mit den Stimmen der CDU – längst verabschiedet hat. Der Paragraph 32a des Betäubungsmittelgesetzes besagt, daß der Besitz geringer Mengen Drogen – zwischen weichen und harten wird nicht unterschieden – nicht verfolgt zu werden braucht. Das Bundesverfassungsgericht hatte jüngst gerügt, daß die Mehrzahl der Bundesländer noch keine entsprechenden Richtlinien umgesetzt habe und dadurch je nach Landesgrenze andere Rechtsgrundsätze gelten. In der Praxis wurde in Berlin wie in den meisten anderen Ländern in der Vergangenheit auch ohne Richtlinien von der Verfolgung der Konsumenten abgesehen.
Die Justizsenatorin erinnerte gestern auch an die Worte des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen (CDU) auf einer Drogenkonferenz letzten Monat in Stockholm. Dort hatte Diepgen gesagt, daß in Berlin der Verbrauch geringer Mengen Drogen nicht mehr verfolgt werde. Gegenüber der taz bezeichnete Jugensenator Thomas Krüger (SPD) die neuesten Manöver des Koalitionspartners als Populismus. Auch wenn die CDU in Berlin den Besitz geringer Mengen harter Drogen weiter bestrafen lassen wollte, glaubte der Senator gestern, daß sie kaum aus einem Bundesgesetz aussteigen könne. Dirk Wildt
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