: Bald wird wieder Geld verdient
Konjunkturbelebung sorgt für Entspannung auf dem Stahlmarkt und im Poker um den Kapazitätsabbau – nur für Eko Stahl sieht es düster aus ■ Von Walter Jakobs
Düsseldorf (taz) – Als Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt Anfang dieses Jahres mit den westdeutschen Stahlindustriellen in Bonn über den deutschen Beitrag zum Abbau der europaweiten Überkapazitäten konferierte, da war die Stimmung bei den Stahlbossen noch mies. Der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Ruprecht Vondran, beklagte sich bitter darüber, daß Rexrodt am sogenannten „schwarzen Freitag“, dem 17. Dezember 1993, im Brüsseler Stahlministerrat nicht sein Veto gegen weitere Subventionen eingelegt hatte. Rexrodt selbst wies die Kritik kühl zurück. Von einem subventionspolitischen Sündenfall wollte der Minister, der den 12 Milliarden Mark Subventionen für Kapazitätsstillegungen bei den staatlichen Stahlproduzenten in Italien und Spanien zugestimmt hatte, weil die Ministerrunde gleichzeitig die 813-Millionen- Mark-Subvention für die ostdeutsche Stahlschmiede Eko Stahl in Eisenhüttenstadt genehmigte, nichts hören.
Inzwischen spuckt der Minister nicht mehr so große Töne. Dafür verantwortlich ist eine neue Gefechtslage im Stahlkampf. Davon bekam Rexrodt beim neuerlichen Gespräch mit den Vertretern der westdeutschen Stahlindustrie gestern in Bonn einiges zu spüren. Nach dem Ausstieg des italienischen Stahlindustriellen Riva aus der Eko-Privatisierung findet sich Rexrodt in der Rolle des Bitstellers wieder. Gestern hagelte es definitive Absagen. Die inzwischen wieder erstarkten westdeutschen Stahlkonzerne sind auf Gegengeschäfte mit dem Bonner Wirtschaftsminister nicht mehr angewiesen. Der Preussag-Konzern, der einst zusammen mit Thyssen Eko übernehmen und als Kaltwalzwerk weiterführen wollte, dann aber von Riva mit Hilfe der Bundesregierung ausgebremst worden war, sagte definitiv nein.
Auch der zweitgrößte deutsche Stahlkonzern, die Krupp-Hoesch AG, steht nicht zur Verfügung. Krupp-Hoesch-Chef Gerhard Cromme, der nach einem Vorjahrsverlust von 800 Millionen Mark im Stahlbereich für dieses Jahr ein ausgeglichenes Ergebnis erwartet, kommentierte die Absage an Eko Stahl so: „Für Abenteuer ist kein Platz.“ Rexrodts Hoffnung richtet sich nun, so räumte der Minister gestern ein, einzig und allein auf die Thyssen- Stahl AG, die zu weiteren Gesprächen über eine Konsortiallösung bereit sei. Dabei geht der FDP- Mann weiter davon aus, daß für Eko Stahl ein integriertes Hüttenwerk mit einer neu zu errichtenden Warmbreitbandstraße als Zunkunftslösung nach wie vor möglich ist. Ein Stahlinsider kommentierte diese Rexrodt-Hoffnung gestern gegenüber der taz so: „Das wird Thyssen nie machen. Die werden Eko Stahl allenfalls als Kaltwalzwerk weiterführen.“ Statt 3.000 würden dann maximal 1.000 Stahlkocher weiterbeschäftigt. Heinz Kriwet, der oberste Chef im Thyssen-Konzern, hatte schon bei früherer Gelegenheit eine neue Warmbreitbandstraße in Eisenhüttenstadt als „so überflüssig wie ein Kropf bezeichnet“.
Unter rein ökonomischen Gesichtspunkten hat Kriwet recht. Selbst Rexrodt wies gestern noch einmal darauf hin, daß in der europäischen Union immer noch Überkapazitäten von 19 bis 25 Millionen Jahrestonnen bei Warmwalzanlagen bestehen. Von den sechs in Westdeutschland arbeitenden Warmbreitbandstraßen – zwei davon betreibt Thyssen – sollte nach den bisherigen Vorstellungen der Brüsseler Kommission eine stillgelegt werden. Glaubt man der Darstellung von Vondran, dann ist die EU-Kommission von dieser Forderung inzwischen abgerückt, weil sie sich offensichtlich entschlossen habe, „die Vorleistungen der privaten deutschen Stahlkonzerne zum Kapazitätsabbau endlich anzuerkennen“.
Nach den Vorstellungen der EU-Kommission sollte europaweit insgesamt eine Rohstahlkapazität von 30 Millionen Jahrestonnen abgebaut werden. Um wieviel die Kapazität tatsächlich gekappt wurde, „weiß kein Mensch“, sagt Helmut Wienert, Stahlexperte vom Wirtschaftsforschungsinstitut RWI in Essen. Sobald die Stahlkonzerne wieder schwarze Zahlen schreiben und auf Subventionen nicht mehr angewiesen sind, wird vom Kapazitätsabbau ohnehin niemand mehr reden. Und die Wende ist in Sicht. Ab Herbst darf die deutsche Stahlindustrie laut Vondran wieder mit Gewinnen rechnen. Die über einen Vergleich gerettete Klöckner- Hütte in Bremen fährt bereits heute Gewinne ein. Für Stahlforscher Wienert steht fest, „daß die Konjunkturkrise eindeutig hinter uns liegt und daß die Auftragseingänge in der Stahlindustrie ganz kräftig gestiegen sind“. Im ersten Quartal dieses Jahres wurden in den westdeutschen Stahlunternehmen 7,3 Millionen Tonnen Roheisen verhüttet. Das sind 15,6 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Auch die Preise zogen kräftig an. Nur bei den Arbeitsplätzen weisen die Daten weiter in den Keller. Krupp- Hoesch will die Belegschaft im Stahlbereich bis Ende nächsten Jahres auf etwa 14.000 senken. Zur Jahreswende waren es noch über 18.000. Bei der Thyssen Stahl AG ist ein Belegschaftsabbau von 33.000 auf 22.000 geplant. Wegen der Produktivitätsfortschritte wird daran auch ein neuer Stahlboom nicht viel ändern.
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