Emmi

■ Fanny Müller - Die siebte Geschichte von Frau K.

chon bevor ich bei der PRO um die Ecke biege, höre ich Trixi bellen. Frau K. kauft also auch ein und hat ihren fetten Köter draußen angebunden. Trixi ist von einem Pulk junger Punkerhunde mit Lätzchen umringt, die sich stumm, aber verwundert ihren Vortrag anhören. Ich mache, daß ich in den Laden komme und sehe Frau K. schon am Tchibo-Stand stehen, auf ihren Stock gestützt. Normal trinkt sie keinen Kaffee, aber heute ist Werbetag. Eine Viertelstunde später stehen wir nebeneinander in zwei verschiedenen Schlangen vor den Kassen und geben uns dem nachbarschaftlichen small-talk hin: „Ich bin ja wieder mit der Treppe dran dies Wochenende...“ „Gut, daß Sie das sagen, ich muß nachher noch die Lottozahlen anrufen...“ Unsere Unterhaltung wird umrahmt von leisen Klängen (Frühlingsstimmenwalzer) und von lauten (Trixi). Frau K. wird ärgerlich. Mühsam dreht sie sich um und hebt ihren Stock drohend in Richtung Tür, die gerade offen steht, weil ein Kunde reingekommen ist. „Trixi!!“ Für eine Sekunde ist es draußen still. Dann fühlt Trixi sich durch die wieder geschlossene Tür genügend abgeschirmt und lärmt weiter. Dies wird von Frau K. jetzt aber ignoriert, denn beim Umdrehen hat sie einen Blick auf die beträchtliche Schlange hinter uns werfen können, und an deren Ende jemanden entdeckt. „Emmi“, schreit sie los. Ich rücke in der Schlange eins vor und habe einen guten Überblick. „Waas?“ kommt es von hinten. Emmi ist recht betagt und macht einen klapprigen Eindruck. „Ilse hat nach dir gefragt“, brüllt Frau K. Inzwischen hört der ganze Laden zu. - Emmi. Emmi? Sollte das d i e Emmi sein, die in den vierziger Jahren, als Jonni sich von Frau K. scheiden lassen wollte, diesem zuckersüß einen Platz in ihrer Einzimmerwohnung in der Budapester Straße angeboten hatte, trotzdem Frau K. ihre Kusine ist? „Weer?“ fragt Emmi weinerlich. Ihre Perücke sitzt nicht ganz gerade. „Ilse - die bei Doktor Schlecht arbeitet!“ Dr. Schlecht, Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten (“Sagen Sie ruhig Dr. Geschlecht zu mir“) ist im ganzen Viertel bekannt. Emmi legt die Stirn in Falten: „Wieso?“ „Ob du immer noch diesen schlimmen Ausschlag hast - du weißt schon wo.“ Wir sind jetzt beide mit dem Bezahlen dran und drehen uns wieder um. Von hinten hört man ein Gemurmel und Gerücke, als würde irgendwie Platz gemacht werden...

Draußen bindet Frau K. die immer noch zeternde Trixi los und verspricht ihr zur Feier des Tages ein Cornetto. „Oder willst du lieber Erdnußlocken?“