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Das Nordlicht als Grundriß

■ Architektursommer: Freie Akademie der Künste zeigt das Werk des Finnen Alvar Aalto

Es ist die bisher konservativste Ausstellung des Architektursommers: Die Anhäufung von Reproduktionen auf Stelltafeln gilt Alvar Aalto (1898-1976), dem berühmtesten finnischen Architekten und erstem Regionalisten der rationalistischen Moderne dieses Jahrhunderts. Abgesehen von wenigen Modellen und einigen zeitlos schönen Möbeln in speziell entwickltem Holzdesign und den sehr zeitbezogenen, ziemlich verschmockten 50er-Jahre Leuchten bieten die ausgestellten Fotos von Zeichnungen, Plänen und Gebäuden nichts, was nicht ein gutes Buch besser 'rüberbrächte.

Die fertig gelieferten Tafeln aus dem Finnischen Architekturmuseum in Helsinki sind zudem ausschließlich in englisch beschriftet, was zusätzlich eher auf Fachbesucher als Zielgruppe hinweist. Denen sind die Erfindungen des Architekten und Designers Aaltos sicher nicht neu: der fächerformige Grundriß, die Wellenform in Wand und Deckengestaltung, die Biegeformen aus Schichtholz im Detail und als Übertragung auf ganze Siedlungsgrundrisse im Großen, die schräg gruppierten Dach-Silhouetten und schließlich der besondere Bezug der Architektur zum Umraum.

Die finnische Natur findet Eingang in die Architektur durch Blickachsen und Anpassung an das Gelände, vor allem jedoch durch immer neue Variationen der Holzverwendung am Bau. Für über sechzig Bauten in seiner Heimat zeichnet Aalto verantwortlich, vom frühen Jugendstil über den antikisierenden Monumentalismus der zwanziger Jahre bis zur kompromißlosen Moderne, seine Wirkung aber war weltweit. 1946-1948 war er Professor am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, USA, für das er auch seine einzige Architektur in der Neuen Welt baute.

Den sechs Bauten, die nach Alvar Aaltos Plänen in Deutschland errichtet wurden, ist ein eigens zusammengestellter Teil der Ausstellung gewidmet. Das älteste Projekt ist ein achtgeschössiges Wohnhaus im Berliner Hansaviertel, anläßlich der internationalen Bauaustellung 1957 errichtet, das jüngste das erst 1988 fertiggestellte Opern-und Schauspielhaus in Essen, dessen Entwurf schon 1959 den ersten Preis des Wettbewerbs gewonnen hatte. Neben zwei Kirchen und dem Kulturzentrum in Wolfsburg gibt es dann noch das 22stöckige Wohnhochhaus in der Bremer Neuen Vahr von 1959-1962. An diesem Bau wie an dem in Berlin wurden in den 70er Jahren verstümmelnde Veränderungen vorgenommen, jetzt in den 90ern werden solche herausragenden Bauten der 50er bereits denkmalpflegerisch rekonstruiert.

Als bis heute gültige Mahnung bleiben am Ende zwei Zitate des finnischen Meisters im Kopf: „Daß rationalistische, moderne Architektur zu sehr auf das Technische gesehen hat, gibt noch kein Recht, gegen sie zu sein“, und: „Die Hauptaufgabe eines Architekten ist, das Maschinenzeitalter zu humanisieren. Aber dies muß getan werden, ohne die Form zu mißachten.“ Hajo Schiff

Freie Akademie der Künste, Klosterwall 23, Eingang Treppenturm Bahnseite, täglich außer Mo, 11-18 Uhr, bis 26. Juni

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