: Wer klopft denn da?
■ Magnetische Spulen in der Galerie Hertz: drei Installationen von Christoph Bilger
Es klickert und klackert in der großen Altbauwohnung des Herrn Hertz. Auskühlende Lampen? Insekten, die gegen Fensterscheiben fliegen? Nein, viel nüchterner: aus elektrisierten Messingspulen zuckt im Takt des Stroms ein Glasfiberstäbchen – mal stößt es dabei gegen eine Hängelampe, mal gegen's Parkett, mal gegen einen Gummiball. Die pulsende Spule, das ist das Ding von Christian Bilger, seines Zeichens Künstler aus Berlin, bekannt als Installateur von beweglichen Teilen. Weil, so erklärt der Künstler, das Leben von Beginn an den Zwang hat, sich zu bewegen. „Deswegen tut es meine Kunst auch.“ Jetzt stehen und hängen drei solcher Installationen in der Galerie Hertz. So nüchtern wie die Spulen auch der Titel der Ausstellung: „Raum1Raum2Raum3“.
Zuckende Spulen, wohin man schaut. Doch im Zusammenprall mit den jeweiligen Partnern wie Gummiball oder Parkett werden die Spulen geradezu zu Persönlichkeiten. Gedämpft und damit sehr taktvoll klopft zum Beispiel ein Glasfiberstäbchen auf eine Weltkugel aus dickem Gummi, etwa auf der Höhe von Moskau. Ein Quälgeist dagegen die zappelnde Spule im zugestöpselten Glas. Das nützt ihr auch nichts: Das Milchglas macht die Zappelnde zum fernen Schatten, und sowieso wird sie übertönt vom sonoren Plong des benachbarten Stäbchens gegen einen fettleibigen Rettungsring.
Was das soll? Das sagt uns der 38jährige Bilger in einem Schriftstück, ausgelegt auf den Fensterbänken des Wohnungs-Ateliers: „Das weg-von-der-Erde ist eine Art Flucht. Hinein in den Raum springen, ins Offene, während dieser kleinen Raumflucht vergeht Zeit, und so ist es auch eine Zeitflucht.“ Zur Illustration dieses Gedankens hat Bilger hinter Milchglas, Rettungsring und Gummiball Foto-Tableaus gehängt: Darauf sein nackter Körper, am Trapez, schwebend, tänzerisch gekrümmt – eben irgendwie zwischen Fliegen und Fallen. Ein bißchen gewaltsam konstruiert, ein bißchen sehr thesenhaft wirkt diese Installation in Raum 1.
Wesentlich sinnlicher die fünf Pendelleuchten in Raum 3, knapp über dem Boden hängend werden sie angesprungen von Stiften, daß es ein ununterbrochenes Gepling ist. Wie Motten, die hier allerdings nicht verschmoren, sondern vom glatten Lampenschirm abrutschen. Was aber auch nicht besser ist.
Christine Holch
Die Ausstellung ist noch bis zum 5. Juni in der Galerie Cornelius Hertz in der Richard-Wagner-Straße 22, zu sehen.
Geöffnet Di-Do 15-19 Uhr, Fr 10-14 und 15-19 Uhr.
Am Sonntag, 5.Juni, um 11 Uhr: steht Bilger zu einem Galeriegespräch bereit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen