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Buletten statt Heringsdipp

■ Roman Herzog mit 696 Stimmen von der Bundesversammlung zum neuen Bundespräsidenten gewählt / FDP-Stimmen geben den Ausschlag für den Unions-Kandidaten / Rau erhält 605 Stimmen

Berlin (taz) – Frikadellen und Kartoffelsalat mag er besonders gern. Doppelte Staatsbürgerschaft findet er dagegen nicht so gut. Blaues Blut fließt nicht in seinen Adern, doch Herzog, Roman heißt er: Der CDU-Kandidat und Präsident des Bundesverfassungsgerichts wurde gestern von der Bundesversammlung im Berliner Reichstag zum neuen Bundespräsidenten gekürt. Herzog erhielt im entscheidenden dritten Wahlgang 696 Stimmen und damit eine deutliche absolute Mehrheit. Die Union verfügte über 619 eigene Delegierte. „Wir pflanzen im Mai und ernten im Oktober“, triumphierte Kanzler Kohl schon vor dem entscheidenden Wahlgang. Herzogs Konkurrent, der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Rau (Lieblingsspeise Heringsdipp mit Bratkartoffeln, für doppelte Staatsbürgerschaft), wurde nur von 605 Wahlfrauen und -männern unterstützt. Ein Delegierter stimmte ungültig, sieben enthielten sich. Der „Republikaner“-Kandidat Hirzel erhielt elf Stimmen. Herzog wird am 1. Juli Richard von Weizsäcker in seinem Amt ablösen.

„Ich werde mich bemühen, das Amt so zu führen, daß Sie es am Ende bereuen werden, mich nicht gewählt zu haben“, sagte Herzog in einer kurzen Rede nach seiner Wahl. Programmatisch setzte er sich hohe Ziele: „Ich will in den kommenden fünf Jahren dieses Deutschland so repräsentieren, wie es wirklich ist: friedliebend, freiheitsliebend, leistungsstark, um Gerechtigkeit zumindest bemüht, zur Solidarität bereit, tolerant, weltoffen, und – was mir fast das Wichtigste erscheint – unverkrampft“, sagte Herzog. „Dieses Deutschland muß in der Welt seine Rolle spielen, aber unverkrampft und ohne gefletschte Zähne.“

Die Wahl des ersten Bayern zum Bundespräsidenten ist Ergebnis der unverbrüchlichen Koalitionstreue der FDP. Nach dem zweiten Wahlgang hatte die FDP-Kandidatin ihre Kandidatur auf Beschluß der Fraktion und dem ausdrücklichen Wunsch von FDP-Chef Klaus Kinkel zurückgezogen. In einer anschließenden Abstimmung votierte die große Mehrheit (69) der FDP-Vertreter für die Wahl des CDU-Kandidaten Herzog. Johannes Rau wurde in der Probeabstimmung nur von 40 Delegierten unterstützt. „Wir wollen die Koalition fortsetzen“, sprach Kinkel danach. Das Endergebnis läßt darauf schließen, daß auch viele der Rau-Unterstützer für Herzog stimmten.

Herzog lag schon bei den beiden ersten Wahlgängen mit 604 und 622 Stimmen klar vor seinem SPD-Konkurrenten Rau, verfehlte aber jeweils die erforderliche absolute Mehrheit von 663 der 1.324 Delegierten. Rau brachte im zweiten Wahlgang mit 559 Stimmen deutlich mehr Delegierte hinter sich als die 502 Mitglieder der SPD-Fraktion.

Der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Jens Reich, der vor allem von Bündnis 90/ Die Grünen unterstützt wurde, zog seine Kandidatur nach dem ersten Wahlgang zurück. Er hatte nur 62 Stimmen erhalten. Reich zeigte sich dennoch überzeugt, daß die Kampagne für den „Bürgerpräsidenten“ aus dem Osten ein Signal für Demokratie von unten gesetzt habe.

Die meisten Stimmen nach Herzog und Rau waren in den ersten beiden Wahlgängen an die FDP-Kandidatin Hamm-Brücher gegangen. Zunächst erreichte sie 132 Stimmen, im zweiten Wahlgang waren es noch 126. An den Abstimmungen nahmen 1.319 Delegierte teil. Fünf fehlten offenbar. In der Bundesversammlung saßen 619 CDU/CSU-Delegierte und 502 AnhängerInnen der SPD. Bündnis 90/Die Grünen stellte 44 Delegierte, die PDS 33, die „Republikaner“ acht und sonstige sieben. klh Seite 2

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