: Einmal geboren, 1000mal gestorben“
Ein Schreibtisch. Formulare. Ein Polizist. Eine Zelle im Abschiebeknast. Ein lebloser Raum. Kleidung. Gegenstände, die niemandem mehr gehören. Die übrigbleiben, wenn ein Mensch ermordet wurde.
„Wir wollen den schlimmsten Fall darstellen, aufrütteln“, sagt Ali Zahedi, der dieses Szenario in die Ausstellung „Ich bin hier vergessen“ eingebaut hat. Abschiebung in Deutschland ist das Thema einer dreiteiligen Dokumentation, die das Medienbüro Oldenburg zusammengestellt hat: Dazu gehören die Ausstellung, der 30minütige Videofilm „Ich bin der gemeinsame Schmerz! Schreit!“ und die Broschüre „Abschiebung hat System“.
Die rechtlichen Grundlagen der Abschiebung sind die eine Seite – was Behörden und Justiz damit machen die andere. Die Ausstellung beleuchtet beide, versucht, die BesucherInnen in die Lage der Flüchtlinge zu versetzen. Bilder von Flüchtlingen (s.o.) ergänzen den Eindruck.
Im Film kommen sie dann selber zu Wort: „Der Film ist aus der Perspektive der Flüchtlinge gedreht“, sagt Zahedi. Ein Togolese erzählt von seinen Erfahrungen, von der Flucht, von der Abschiebehaft. Zahedi ist in Abschiebeknäste gegangen, hat Flüchtlinge befragt, Menschen, die teils monatelang darauf warten, daß sie in den Flieger gesetzt und in das Land zurückgeschickt werden, dem sie glaubten entkommen zu sein. Frauen, die mit ihren Männern mitkommen mußten. Und er hat Kinder interviewt, knapp 14 Jahre alt und teils seit drei Monaten in Abschiebehaft. Die behaupten, von Wärtern geschlagen worden zu sein. Das niedersächsische Justizministerium hat diese Teile des Films verboten: Sie seien ohne Erlaubnis zustande gekommen „und aus pädagogischen Gründen bedenklich“, so hat man Zahedi erklärt.
Die dicke Dokumentation enthält viele Zeitungsausschnitte, Erläuterungen über das Asylrecht, Einzelfälle, Interviews, Formulare – ein Überblick über die Abschiebepraxis und ihre Grundlagen in der Bundesrepublik. „Ich war nach den Recherchen teilweise selber wochenlang depressiv“, sagt Zahedi, selber vor neun Jahren Flüchtling aus dem Iran, über seine Arbeit. „Das Warten auf die Abschiebung heißt: einmal geboren, tausendmal gestorben.“ skai
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