piwik no script img

Freibierlust statt Provinzfrust

Kneipiers am Wasserturm wollen Biergärten länger offenhalten / Streit zwischen Bier- und Berlinliebhabern und Lärmgegnern verschärft sich  ■ Von Uwe Rada

Daß es kein Bier auf Hawai gibt, ist traurig genug. Daß der Gerstensaft freilich auch in der Hauptstadt nicht immer und zu allen Zeiten gelitten ist, ist nachgerade bitter. Und provinziell. Das finden jedenfalls die Kneipiers rund um den Prenzelberger Wasserturm. Und weil nicht sein kann, was nicht sein darf, haben sie eine Initiative gestartet. In dieser Woche noch soll dem Wirtschaftsstadtrat des Bezirks, Robert Scholz (PDS), eine Wunschliste überreicht werden. Kernpunkt: Die Forderung nach verlängerten Öffnungszeiten der Biergärten an Wochentagen bis 23 Uhr und vor Samstagen, Sonn- und Feiertagen bis 24 Uhr.

„Die meisten Gäste kommen eh erst ab halb zehn“, klagt die Wirtin der „Gaststätte am Wasserturm“, „und dann bleibt mir eigentlich nichts anderes übrig, als sie mit der letzten Runde zu begrüßen.“ Anders dagegen grüßte in der Vergangenheit so mancher der Anwohner: mit leeren Zigarettenschachteln und gefüllten Aschenbechern – auf die Köpfe der ungebetenen Gäste. Natürlich verstehe man auch den Wunsch der Anwohner nach ungestörter Nachtruhe, sagt die Wirtin, „doch wenn einmal jemand über die Stränge schlägt und zu laut ist, dann sind es ohnehin nur die Touristen.“

Dennoch wollen die Kneipiers nun vertrauensbildende Maßnahmen einleiten, schließlich soll es zwischen den Mietern in der Ryke- und Knaackstraße und den mittlerweile fünf Kneipen mit Biergarten am Wasserturm auch weiterhin ein gutnachbarschaftliches Verhältnis geben. Auf einer Kiezversammlung soll in Kürze über die Wünsche und Sorgen beider Seiten beraten werden, und den nächtlich anfallenden Müll wollen die Gastronomen künftig auf eigene Kosten entfernen.

Das freundliche Angebot kommt allerdings nicht von ungefähr. Noch immer nämlich gilt der Schlaf des Wohnungsmieters mehr als der Geldbeutel des Gewerbemieters. Und wer in seiner nächtlichen Ruhe bisweilen gestört wurde, brauchte nur zum Telefonhörer greifen, den Rest erledigte die Polizei. Kneipern, die sich nicht einsichtig zeigen, droht bislang nicht nur eine Geldstrafe, sondern im Zweifelsfall auch eine Beschränkung der Freiluftsaison auf täglich 20 Uhr. Zwar hat Umweltsenator Volker Hassemer (CDU) im April diesen Jahres derartigem Provinzmief den Kampf angesagt und eine Initiative zur Änderung der Lärmschutzbestimmungen gestartet, um so den Bezirksämtern einen größeren Handlungsspielraum für verlängerte Konzessionen zu geben. Doch das ambitionierte Vorhaben, das Berliner Bierwesen bereits bis Mai diesen Jahres auf Weltniveau zu heben, geriet bislang zur Hängepartie. Die Initiative wurde zwar vom Umweltausschuß und dem Rat der Bürgermeister bereits gutgeheißen, doch der zuständige Wirtschaftsausschuß hat darüber noch nicht beraten.

Daß des einen Zeit des andern Leid ist, darauf haben inzwischen auch die betroffenen Anwohner hingewiesen. In einer Unterschriftensammlung beklagen sich Mieter rund um den Stuttgarter Platz in Charlottenburg, daß das Kneipenmobiliar mit großem Lärm regelmäßig erst nach 24 Uhr abgeräumt werde, und forderten das Bezirksamt auf, „unverzüglich gegen diese Mißstände einzuschreiten“. Eine klare Linie für die Kneipen forderten unterdessen auch die Bezirksverordneten des Westberliner Citybezirks.

Das Bezirksamt solle, so die Charlottenburger BVV-Abgeordneten in einem in der vergangenen Woche mehrheitlich gefaßten Beschluß, die „Möglichkeiten des Berliner Straßengesetzes zur Öffnung von Schankvorgärten über 22 Uhr hinaus nutzen“. Im Klartext: Die Biergärten sollen künftig bis fünf Uhr morgens geöffnet haben. Sehr zum Ärger der dortigen Gesundheitsstadträtin, aber zur Freude der Industrie- und Handelskammer. Letztere bewertete die bisherige Regelung als „schädlich für Berlin und das Image der Stadt als Fremdenverkehrsmetropole“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen