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Herzog jetzt doch politically correct?

■ Künftiger Bundespräsident ruft zum Kampf gegen Rechtsextremismus auf / Scharping und Verheugen weiter nachhaltig enttäuscht / SPD-Kritik am Wahlverhalten der Liberalen keine Koalitionsabsage

Hamburg/Mainz (AP/taz) – Der neugewählte Bundespräsident Roman Herzog hat zu einer „frontalen Auseinandersetzung“ mit dem Rechtsextremismus aufgerufen und zugleich gegen eine Renaissance des Begriffs Nation plädiert. In einem Interview der Zeitung Die Woche wies Herzog der Staatsgewalt eine entscheidende Bedeutung beim Umgang mit Rechtsextremisten zu: „Das ist zunächst eine Frage von Polizei und Justiz.“ Herzog zeigte sich „beunruhigt, daß die Krypto-Nazis, die alten Unbelehrbaren, in der jungen Generation wieder Anklang und Nachahmer finden“. Der Weizsäcker-Nachfolger wandte sich zugleich gegen eine Überbewertung des Begriffs der Nation im konservativen Lager.

„Ich glaube nicht, daß Nationalgefühl oder gar Nationalstolz – diesem Begriff begegne ich mit allergrößter Vorsicht – noch ein Movens für unser Volk sein kann.“ Er rate in dieser Frage zu „sehr leisen Tönen“. Herzog wandte sich auch gegen die Auffassung, Deutschland sei mit der Wiedervereinigung ein normaler Staat geworden und müsse sich mit seiner Vergangenheit nicht mehr auseinandersetzen. In Deutschland sei es notwendiger als in anderen Staaten, „Abwehrkräfte gegen jede Form des Totalitarismus“ zu entwickeln. Mit der Formel, die Nachkriegszeit sei abgeschlossen, könne er „überhaupt nichts anfangen“.

Ob Herzog mit seinen Äußerungen die Kritik an seiner Dankesrede im Reichstag kompensieren kann, bleibt offen. Die Sozialdemokraten jedenfalls taten sich auch zwei Tage nach der Rau-Niederlage schwer, sich mit dem Ergebnis abzufinden. SPD-Chef Rudolf Scharping erinnerte neuerlich daran, daß die Zusammensetzung der Bundesversammlung auf Wahlergebnissen von 1990 basiere. Zugleich relativierte er seine FDP- Schelte vom Vortag. Die Äußerung, die FDP sei als eigenständige politische Kraft überflüssig, habe sich allein auf die Präsidentenwahl bezogen.

SPD-Bundesgeschäftsführer Günther Verheugen prognostizierte „eine außerordentlich negative Wirkung“ der Präsidentenwahl für die Freien Demokraten. Die SPD werde angesichts der „Unterwerfungsgeste“ der Liberalen nicht zur Tagesordnung übergehen. Der Parteimanager betonte jedoch, die in der SPD geäußerte Kritik an den Liberalen bedeute in keiner Richtung eine Aussage zu der Frage, mit wem die Sozialdemokraten nach der Bundestagswahl im Oktober eine Koalition eingehen würden.

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