: Annäherung ohne Wandel
■ Nato will Moskau keine Sonderrolle, aber mehr Dialog zugestehen
Brüssel (taz) – Rußland wird den von der Nato angebotenen Vertrag über die „Partnerschaft für den Frieden“ doch unterschreiben, will aber zuerst Vereinbarungen über einen weitergehenden Dialog, der über den Rahmen des Vertrages hinausgeht. Bei diesem Dialog soll es um die Themen Abrüstung, nukleare Sicherheit, Nichtverbreitung von Atomwaffen, Konversion und Umweltschutz gehen. Der russische Verteidigungsminister Pawel Gratschow, der gestern in Brüssel die Moskauer Vorstellungen über die Zusammenarbeit zwischen Rußland und der Nato vorlegte, stieß bei den Verteidigungsministern der westlichen Allianz auf verhaltene Zustimmung.
Laut Verteidigungsminister Volker Rühe gibt es innerhalb der Nato mittlerweile einen Konsens darüber, daß das Moskauer Drängen auf einen über den Vertrag hinausgehenden Dialog berechtigt sei. Vor allem die USA sperrten sich bisher dagegen, die Sonderrolle Rußlands als Atommacht auch formell anzuerkennen. Rußland sollte im Rahmen des „Partnerschaft für den Frieden“-Abkommens genauso wie alle anderen ehemaligen Ostblock-Länder behandelt werden. Die Abkommen, die vor vier Monaten auf den Weg gebracht und mittlerweile von 18 Staaten unterzeichnet wurden, sind Rahmenabkommen über militärische Zusammenarbeit zwischen der Nato und den Teilnehmerländern, die je unterschiedlich ausgestaltet werden. Sie sollen das Grundgerüst einer um die Nato herumgeflochtenen Sicherheitsstruktur sein.
Rußland hatte bereits im Frühjahr den Beitritt zum Vertrag in Aussicht gestellt, verlangte dann aber einen Sonderstatus, der seine Großmachtrolle anerkennen würde. Der jetzt von der Nato akzeptierte zusätzliche Dialog ist ein Kompromiß, der den innenpolitischen Problemen der russischen Regierung Rechnung trägt und die Ängste der kleineren mittel- und osteuropäischen Staaten berücksichtigt, die sich gegen eine von der Nato akzeptierte Vorherrschaft Moskaus wehren. Oberste Bedingung für diesen Dialog, so Rühe, werde die Transparenz sein. Die anderen Staaten müßten zu jeder Zeit Einblick haben, „was wir mit Moskau besprechen“.
Wie es scheint, haben es die Nato-Verantwortlichen nicht eilig, die ohnehin ständig laufenden Gespräche mit Rußland über Abrüstung, Nichtverbreitung und nukleare Sicherheit auf eine vertragliche Basis zu stellen. An einem regelmäßigen Konsultationsmechanismus, wie ihn Gratschow gestern vorschlug, ist die Nato nicht interessiert, vor allem weil Rußland dies gerne im Rahmen der KSZE eingerichtet sähe. Für die westlichen Verteidigungsminister ist die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa schon deshalb nicht der richtige Rahmen, weil dort alle Mitgliedsstaaten gleichberechtigt sind. Bei der groß angekündigten Offenlegung der russischen Militärdoktrin beschränkte sich der russische Verteidigungsminister auf die Beteuerung, daß Rußland die Grenzen aller souveränen Staaten anerkenne und nicht daran denke, irgendwelche Grenzen mit Gewalt zu verändern. Rußland werde zudem seine Atomwaffen im Kriegsfall nur gegen Staaten einsetzen, die selbst Atomwaffen besäßen oder eine Kriegskoalition mit Atommächten eingingen.
Deutschland hat zudem die Nato darüber informiert, daß die operativen Teile der deutschen Streitkräfte in den neuen Bundesländern ab Anfang kommenden Jahres der westlichen Allianz unterstellt werden. Alois Berger
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