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Post geht ab - ins Privatdesaster

■ Protest gegen Privatisierung von Postdienst, Telekom und Postbank / 10.000 Arbeitsplätze gefährdet / Ämter von Schließung bedroht Von Kai von Appen

Aus Protest gegen die geplante Privatisierung der Post haben gestern nachmitttag 200 PostgewerkschafterInnen das City-Postamt 102 in der Mönckebergstraße symbolisch besetzt. 30 Minuten lang demonstrierten Briefträger, Schalterbeamte und Telekombeschäftigte aus ganz Hamburg vor dem Eingang des Postamtes mit Transparenten und hielten im Schalterraum eine Kundgebung ab. Das Motto des Post-Protestes: „Öffentliche Aufgaben erhalten – Postreform sozial gestalten!“

Wenn es nach dem Willen der Bonner Koalition geht, werden bereits zum 2. Januar 1995 die drei Postunternehmen Telekom, Postbank und Postdienst als private Aktiengesellschaften an die Börse überführt. Die Postgewerkschaft befürchtet, daß die flächendeckende Versorgung dann akut gefährdert ist. Hamburgs Postgewerkschafts-Boß Rolf Meier: „Private Gesellschaften sind doch nur an lukrativen Geschäften interessiert.“

Damit nicht genug: „Obwohl monatelang verhandelt wurde, sind noch immer wichtige gewerkschaftliche Forderungen zum Schutz der Beschäftigten vor den neuen Auswirkungen der Postreform nicht erfüllt“, beklagt Rolf Meier. Denn wenn die Unternehmen in neue Aktiengesellschaften überführt werden, werden die Tarifverträge ungültig.

Versuche der Postgewerkschaft, mit den Postbetrieben „Personalüberleitungstarif-Verträge“ abzuschließen, mit denen die Sozial- und Arbeitsbedingungen der MitarbeiterInnen abgesichert werden, sind laut Meier aufgrund der „Blockadehaltung der Unternehmer“ geplatzt. Sie wollen erst weiterverhandeln, wenn die Privatisierungsbeschlüsse unter Dach und Fach sind. Meier: „Wenn alles beschlossene Sache ist, haben wir kein Druckmittel mehr.“

Nach Schätzungen der Gewerkschaft sind bundesweit 120.000 der 670.000 Postarbeitsplätze akut in Gefahr. Allein in Hamburg, so die Befürchtung, stehen bis zum Jahr 2000 rund 10.000 Postjobs zur Disposition. So sollen bei der Telekom in der Elbmetropole durch Konzentration 2500 Arbeitsplätze gestrichen werden. Beim Postdienst werden nach der Privatisierung wahrscheinlich 5000 Stellen gekillt, weil das Gros der Postämter geschlossen wird. Und bei der Postbank sind nochmals 1000 Arbeitsplätze bis 1996 akut gefährdet. Meier ermahnt: „Die Schließung der 47 Postämter im vergangenen Jahr war nur ein kleiner Vorgeschmack.“

Der Gewerkschaftschef appellierte an den Bundestag, zumindest dafür Sorge zu tragen, daß der Bund mit 51 Prozent die Kapitalmehrheit an den neuen Post-AGs behält. Meier: „Damit der Staat in wichtigen Fragen ein Wort mitreden kann.“

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