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Ein Leben auf der Flucht

■ Uli W. steht wegen Bankraubs vor Gericht / „Immer vor Problemen abgehauen“

Wer meint, daß Bankräuber immer ausgebuffte Profi-Ganoven sind, die nervenstark komplizierte Überfallpläne ausführen, der irrt. Manchmal verirrt sich ein Bankräuber auch „aus Reflex“ an einen Schalter, fuchtelt mit einer Schreckschußpistole herum und gibt sich mit 3260 Mark zufrieden, weil er das Geld dringend für die nächste Monatsmiete braucht. So jedenfalls schildert Uli W. den Überfall auf die Sparkassenfiliale in der Bahnhofstraße am 1.Dezember vergangenen Jahres, für den er gestern vor der Großen Strafkammer des Landgerichts stand. „Ich bin in die Sparkasse gegangen, weil man da eben hingeht, wenn man Geld braucht“, sagt er im Prozeß.

Und Geld brauchte Uli W. dringend. Denn am Tag des Überfalls war er aus seinem Zimmer ausgezogen. Für Miete und Kaution für eine neue Wohnung fehlte ihm das Geld. „Ich hatte höchstens noch 500 Mark auf dem Konto und bin ziellos durch die Stadt gelaufen.“ Am Tag vor dem Überfall kaufte er sich in Walle eine Schreckschußpistole. Auch das, sagt Uli W. „eine Art von Reflex“, denn kurz vorher hatte er einen Mann mit prall gefüllter Brieftasche aus einer Bank kommen sehen. „Am Tag des Überfalls wußte ich, heute muß eine Entscheidung fallen. Ich bin in zwei Stunden zweimal in großen Kreisen um die Sparkasse gegangen, als ich beim dritten Mal davor stand dachte ich, wenn Du es nicht jetzt schaffst, dann nie. Und als ich drin war, gab es kein Zurück mehr.“

Ohne Maske, nur mit einer Plastiktüte und der Schreckschußwaffe ging Uli W. zu einem freien Schalter. Der Kassierer mußte zweimal nachfragen, ehe er das leise „Geld her, schnell, schnell!“ verstand und ihm die kleinen Scheine aus der Kasse gab. „Ein Profi war das nicht, der hätte sich damit nicht zufrieden gegeben“, meint der Kassierer vor Gericht. Eher wirkt der blasse Uli W. höflich und ängstlich. Er redet leise und hält den Kopf zwischen den Schultern geduckt. Beim Kassierer entschuldigt er sich vor Gericht: „Das war nicht persönlich gegen Sie gerichtet.“

Nach dem Bankraub nahm der Bankräuber den Zug und fuhr kreuz und quer durch Deutschland. Seine Panik, sagt der Angeklagte, wuchs immer mehr. Schließlich stellte sich der ehemalige DDR-Bürger in Schwerin der Polizei. „Im Westen wollte ich nicht ins Gefängnis, weil ich nicht mit Drogenabhängigen zu tun haben wollte.“ Jetzt sitzt er im Bremer Knast.

Hals über Kopf – der Überfall und die Flucht passen zu Uli W.. Das sagt er selbst, das sagt seine Bewährungshelferin, das sagt seine Mutter. Die berichtet unter Tränen von der grausamen Kindheit und Jugend, die Uli W. gehabt hat. Als ungewolltes Kind eines grausamen Vaters sei er auf die Welt gekommen, bei der Geburt sei er fast erstickt. „Heute weiß ich, daß das vielleicht Langzeitschäden hatte. Wenn er Probleme hat, redet er nicht darüber, sondern steckt den Kopf in den Sand.“ Probleme bekam Uli W. in der DDR zuhauf: Er muckte im Betrieb auf, stellte einen Ausreiseantrag, legte sich mit Polizei und Stasi an. Schließlich scheiterte ein Fluchtversuch , er wanderte in den Knast nach Bautzen. Dann kam er nach Bremen, doch auch hier war sein Leben eine Kette von Fluchten: Jobs bekommen, Jobs geschmissen, wegen Mietrückstand aus der Wohnung geworfen, schließlich der Griff in die Kasse seines Arbeitgebers und Flucht nach Brandenburg. Verhaftung und Verurteilung, Bewährung und dann der Banküberfall. Seine Bewährungshelferin wiederholt fast wörtlich die Einschätzung seiner Mutter: „Bei persönlichen Problemen ist Uli W. sehr verschlossen und zieht sich sofort zurück, wenn er gefordert wird.“ Für sie ist therapeutische Behandlung dringender als erneute Strafe.

Ein Banküberfall ist kein Kavaliersdelikt. Für „schweren Raub“ sieht das Gesetz mindestens fünf Jahre Haft vor. Umstände und Vorgeschichte der Tat von Uli W. lassen allerdings einen „minder schweren Fall“ vermuten. Das Urteil fällt am Mittwoch. Wenn Uli W. Glück hat, kommt er mit drei Jahren davon. Bernhard Pötter

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