■ Mit dem täglichen Durst auf du und du: Hohe Dosenfrequenz
Berlin (taz) – Die Pfandflasche kommt langsam, aber sicher zurück. Das Bundesumweltministerium verkündete gestern voller Stolz, die Deutschen hätten 1992 ihren Durst in 73,71 von 100 Fällen aus Mehrwegbehältern (vulgo Pfandflaschen) gelöscht. Der Anteil der Dosen und Tüten, die anschließend in gelbe oder graue Mülltonnen wanderten, sank im Vergleich zu 1991 von reichlich 28 Prozent auf 26 Prozent.
Der an sich erfreuliche Trend ist aber kein Anlaß zur ökologischen Entwarnung. Zum ersten ist die Einwegflut damit noch lange nicht gestoppt. Die Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM), die die Zahlen für das Umweltministerium auflistet, hat nämlich keine Zahlen zur Gesamtmenge der Getränkeverpackungen und dem anfallenden Müll zusammengestellt. „Dafür hat es seit Jahren keinen Auftrag gegeben“, erklärt Gerhard Eisenblätter von der GVM die Lücke. Unklar bleibt also, ob die Zahl der Dosen steigt, die in die Tonne wandern, auch wenn der Anteil der Dosen an allen Verpackungen schon sinkt.
Auch die vorhandenen Zahlen zeigen, daß der Sieg über die Einwegdose noch fern ist. Sie dokumentieren ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. Norddeutsche sind Bergen leerer Dosen weitaus mehr zugetan als Süddeutsche. In Schleswig-Holstein wanderte 1992 ein Drittel aller Behältnisse, aus denen ein Schluck genommen wurde, auf den gelben oder grauen Müllberg, in Baden-Württemberg waren es nur 13 Prozent.
Ökologische Schlußlichter waren 1992 wieder einmal die HauptstädterInnen. Nur 38,3 Prozent aller Getränkeverpackungen, die damals an der Spree verkauft wurden, konnten wiederbefüllt werden. Nur unwesentlich besser ist die Situation in Mecklenburg-Vorpommern. Dort sank die Mehrwegquote 1992 von 47 auf 40 Prozent. Für alle LadenbesitzerInnen bedeutet das Alarmstufe rot. Sollte an der Ostsee 1993 nicht eine erhebliche Steigerung des Mehrweganteils bei Getränkeverpackungen geschafft werden, müssen die Kaufleute nach den Buchstaben des Gesetzes die Dosen und Milchtüten künftig zurücknehmen und sogar noch ein Pfand dafür zahlen. Hermann-Josef Tenhagen
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