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Kriminalgesetz kritisiert

■ Rechtsanwälte tadeln jüngstes Bonner Gesetz zur Verbrechensbekämpfung

Gera (dpa) – Das in der vergangenen Woche vom Bundestag verabschiedete Verbrechensbekämpfungsgesetz ist bei der Bundesrechtsanwaltskammer auf scharfe Kritik gestoßen. „Es ist ein kapitaler Fehler, was hier in Bonn zusammengebraut wurde“, sagte der Präsident der Kammer, Eberhard Haas, gestern in Gera. In der thüringischen Stadt begann die 75. Hauptversammlung der Organisation, die die berufliche Vertretung von etwa 71.000 deutschen Anwälten wahrnimmt.

Nach Ansicht von Haas wurde mit dem Gesetz im Vorfeld der Wahlen Aktionismus betrieben. Die Parteien müßten erkennen, daß tiefgreifende Einschnitte in Strafrecht und Strafverfahren nicht von der Hektik eines Wahlkampfes bestimmt sein dürften. Die Sucht nach immer neuen Gesetzen führe dazu, daß nicht einmal mehr abgewartet werde, wie sich gerade erst in Kraft getretene Regelungen bewährt haben.

Durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz sollen neue und sich ständig ändernde Erscheinungsformen der Kriminalität besser bekämpft werden können. Dazu wurden zusätzliche gesetzgeberische Maßnahmen, Strafverschärfungen und eine teilweise Änderung der Strafprozeßordnung verabschiedet. Einer der Schwerpunkte des Gesetzes ist die Straffung der Strafverfahren in einfachen Fällen. Der Prozeß soll künftig der Tat „schneller auf dem Fuße“ folgen, indem formelle Anforderungen verkürzt werden.

Nach Ansicht von Kammer-Geschäftsführer Frank Johnigk werden durch das Gesetz die Rechte der Beschuldigten bei Verfahren vor Amtsgerichten eingeschränkt. Sie hätten weniger Möglichkeiten, eigene Entlastungsbeweise vorzulegen. Haas lehnte auch ausdrücklich den Großen Lauschangriff ab. Abhörmaßnahmen bis in Privatwohnungen hinein oder die Einbeziehung von Geheimdiensten in die Strafverfolgung hielten die Anwälte vom Ansatz her für gefährlich und nutzlos.

Zu Beginn des Jahres gab es insgesamt 70.438 Rechtsanwälte, rund fünf Prozent mehr als 1993. Vor zehn Jahren seien es 44.526 gewesen. Laut Kammer ist die Anwaltsdichte im Westen dreimal höher als im Osten.

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