: Kleine Mädchen in Sülze
■ Die Matjes-Saison beginnt Andrew Ruch kostete bereits
11.30 Uhr. Zur Begrüßung wird Champagner gereicht, 91er Flaschengärung. Zur Eröffnung der Matjes-Saison soll es etwas Besonderes sein. „Möchte der Herr ein Bier?“, fragt höflich ein Kellner. Die Antwort, ob es denn nicht ein wenig zu früh sei für Alkohol, ignoriert er einfach. Also ein Bier. Man will ja nicht auffallen.
Eingeladen hat Hans-Georg Giese, der Vorsitzende des Verbandes des Lebensmittel-Einzelhandels Hamburg. In Deutschland wird mit Matjes pro Jahr eine Millarde Mark umgesetzt, und damit das nicht weniger wird, gibt es einmal im Jahr einen offiziellen Startschuß mit Probeessen. Heute im Altonaer Museum.
„Sie haben sich nun viermal mit Matjes zu befassen und einmal mit einer süßen Sache“, sagt Giese feierlich und alle freuen sich. Schließlich bereiten vier der besten Hamburger Restaurants die Fische zu: Das „Le Canard“, das „Landhaus Dill“, das „Fischereihafen-Restaurant“ und das „Landhaus Scherrer“. Doch auch ein guter Name schützt vor banausigen Gästen nicht: Das „Le Canard“ serviert Tellersülze vom Matjes, von „Josef persönlich zubereitet“. Immerhin schafft man es dank Gruppenzwang, einige Gemüse- und Matjesstücke zu essen – mit möglichst wenig Sülze. „Mögen Sie keinen Matjes?“ fragt ein Herr von gegenüber. Ein „Es kommt darauf an“, wird als Beweis gewertet. Die Tischnachbarin hat Mitleid und empfiehlt: „Trinken Sie doch ein Bier, dann läßt's sich leichter runterspülen.“ Der Kellner scheint dies mißzuverstehen und bingt nun zu jedem Gang ein frisches Bier: zu Matjesfilets auf roten Zwiebeln mit Senfsauce, zum Potpourri von Matjes, und auch zum Matjes Tatar auf Kartoffelpuffer. Zum Nachtisch dann Rote Grütze, einen Aquavit und – natürlich ein Pils.
Nebenbei Unterhaltung: Der Leiter des Fischereiamtes Kiel referiert über Sorgen und Nöte der Fischerei, während das Thema von Boye Meyer-Friese, Chef der Abteilung Schiffahrt und Fischerei des Altonaer Museums, heißt: „Hering im Faß und der Kultur.“ So erfährt man, daß Matjes im Holländischen „kleines Mädchen“ heißt, denn nur die noch nicht geschlechtsreifen Heringe schmecken besonders gut. Das haben einige Herren am Tisch natürlich schon immer gewußt. Andere Leute haben ihre eigenen Gesprächsthemen, den Unsinn eines Walfangverbots zum Beispiel und wie lecker doch Walfleisch sei.
Alles in allem ein bildender Vormittag. Nur ein Versäumnis fällt beim Verlassen der Veranstaltung auf: Den sicher vorzüglichen Sherry hätte man eigentlich auch noch probieren können.
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