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Patt zwischen HEW und Kiel

■ HEW-Atomklagen mit wechselndem Erfolg / HEW prüfen schon Schadensersatzansprüche in Millionenhöhe gegen Kiel Von Marco Carini

Sie sind wie Hund und Katze. Die HEW und Preußen Elektra, zusammen Betreiber der Atommeiler in Brunsbüttel und Krümmel, auf der einen und das atomkritische Kieler Energieministerium auf der anderen Seite. Während die Stromproduzenten tatenlos zusehen müssen, wie Kiel ihnen seit Monaten die Wiederinbetriebnahme der beiden AKWs untersagt, toben sie sich vor Justitias Waage auf Nebenkriegsschauplätzen aus.

Zwei Klagen der Energieversorger gegen das Kieler Ministerium wurden gestern vom Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht (OVG) entschieden. Endergebnis: 1:1 unentschieden. Doch das heißt auch: Auf Schleswig-Holstein kommt wohl eine Millionenforderung der Stromproduzenten zu. Denn die Richter befanden, daß die Aufsichtsbehörde im Mai 1992 durch eine Anordnung rechtswidrig in die Betriebsgenehmigung für das AKW Brunsbüttel eingegriffen habe.

In seiner Anordnung hatte das Energieministerium festgelegt, daß der Brunsbüttler Atommeiler nach einer durch Ventilschaden ausgelösten Schnellabschaltung nur nach ausdrücklicher Genehmigung der Aufsichtsbehörde wieder angefahren werden dürfe. Dies sei „aus formalen Gründen rechtswidrig“ gewesen, befanden die Richter.

Die Betreiber hatten nach erfolgter Reparatur dem Ministerium mitgeteilt, die Anlage sei am 17. Mai wieder anfahrbereit. Statt eine Stellungnahme des TÜV abzuwarten und die Wiederinbetriebnahme so bis zum 21. Mai zu verzögern, hätte das Ministerium nach Auffassung des OVG schon zu diesem Zeitpunkt eine ausführlich begründete Ermessungsentscheidung treffen müssen.

Die Anlage habe durch diesen Formfehler vier Tage lang unnötig stillgestanden. Hierdurch, so errechneten die Kraftwerksbetreiber, sei ihnen ein Verlust von mindestens zwei Millionen Mark entstanden. Die HEW wollen nun „prüfen“, ob sie sich das Geld auf zivilrechtlichem Weg vom Energieministerium wiederholen können.

Eine andere atomrechtliche Klage der Kraftwerksbetreiber wies das OVG hingegen ab. Dabei ging es um die vom Kieler Ministerium abgelehnte Verschiebung einer fälligen Ultraschall-Prüfung im Bodenlochfeld des Krümmeler Reaktordruckbehälters. Es habe sich bei den technischen Problemen, wegen denen die Kontrolle nicht rechtzeitig stattfinden konnte, um „keinen atypischen Sonderfall“ gehandelt, befand das Gericht. Eine Vertagung der verbindlichen Prüfungen wäre deshalb ungerechtfertigt gewesen.

Nach dem juristischen Doppelbeschluß sehen sich beide Seiten als Sieger. Energieminister Claus Möller sah sich in einer ersten Stellungnahme in seiner „sicherheitsorientierten Auffassung bestätigt“. Möller weiter: „Das Gericht hat im Fall Brunsbrüttel ausdrücklich hervorgehoben, daß es unsere Entscheidung in der Sache gar nicht geprüft hat“.

Die HEW freuten sich währenddessen schon mal auf einen warmen Geldregen und mehr noch darüber, den Kieler Kontrahenten endlich einmal einen kleinen Dämpfer verpasst zu haben.

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