Weißwurst, rotgrüne Eintracht und ein Fehlstart

■ Klein Borstel: Drei Bundestags-DirektkandidatInnen diskutierten über die Postreform

WahlkämpferInnen wird so einiges zugemutet. Zum Beispiel am Sonntag vormittag bei bayrischer Brotzeit (Weißbier & Weißwurst) im Postzelt der Klein Borsteler Protestbewegung gegen die Schließung ihrer Post über die Postreform zu diskutieren. Doch weil der Wahlkreis Nord mit dem Trio Dirk Fischer (CDU), Wolfgang Curilla (SPD) und Krista Sager (GAL) am prominentesten besetzt ist, traut sich keineR der drei Bundestags-KandidatInnen, den Termin zu schwänzen.

Neben der Postreform ist natürlich die Zukunft der Postversorgung im Stadtteil Thema. Die nach der Schließung des Amtes Stübeheide von der Postdirektion im Februar versprochene Postagentur ist noch immer nicht in Sicht. Ein Buchhändler, der die Agentur nebenbei betreiben wollte, mochte sich auf die Bedingungen der Post bislang nicht einlassen. Am Mittwoch wird erneut verhandelt. Doch solange wollen die Klein BorstelerInnen nicht warten: Sie werden heute darüber entscheiden, ob sie auf dem Klageweg die Wiedereröffnung des geschlossenen Postamts erstreiten wollen.

Zurück ins Postzelt: Da Dirk Fischer sich wegen einer Konfirmation um eine Stunde verspätet, läuten die grüne Polit-Aufsteigerin des vergangenen Jahres und das spröde SPD-Auslaufmodell den Bundestagswahlkampf des Bezirks Nord ein. Lob für den Bürgerprotest, Kritik an der Postreform, dem damit verbundenen Streichkonzert und der für all das verantwortlichen Bundesregierung. Und natürlich: „Die Postagentur muß sofort kommen, besser aber noch, die Postfiliale wird wiedereröffnet“.

Fast wortgleich die Redebeiträge von Curilla und Sager – sie wissen, was die Klein BorstelerInnen von ihnen hören wollen. Jubel, Applaus nach jedem Beitrag – eine dankbare Wahl-Veranstaltung. Sager beklatscht die Curilla-Beiträge, der wiederum verweist auf die populistischen Ausführungen seiner Kontrahentin. Rot-grüne Eintracht.

Für Dirk Fischer hingegen erweist sich das Klein Borsteler Parkett als zu glatt. Schlecht austrainiert macht er so ziemlich alles falsch, was ein Wahlkämpfer falsch machen kann. Indem er in seinem Eingangsstatement zuerst die Organisatoren der Brotzeit („dieser Termin war mit mir nicht abgestimmt“), dann einen Fragesteller („Sie haben eine verquere Auffassung“) und anschließend auch noch die Diskussionsleiterin ohne Not beschimpft, bringt er in Rekordzeit alle potentiellen Wähler gegen sich auf. Eine Frau besorgt: „Herr Fischer, haben Sie schlecht geschlafen?“

Miserabler Start für den eigentlich schwierigen Teil des Fischer-Vortrags: seine Verteidigungsrede für die in Klein Borstel wenig beliebte Postreform. Da kann er nur verkünden, daß die SPD ja auch mitgestimmt habe und Herr Curilla deshalb unaufrichtig sei, wenn er jetzt plötzlich... Schlechter kann man eine Reform kaum verkaufen und einen Wahlkampf kaum beginnen. Marco Carini