Vor Parteitag Kampf zweier Linien in der SPD

■ Linke SPDler drängen auf „neues Reformbündnis“ / Staffelt hält dagegen

Vor dem Landesparteitag der SPD, der am Freitag beginnt, rechnet die Kreuzberger Delegiertenversammlung mit der Großen Koalition ab. Besonders unzufrieden zeigen sich die Delegierten in einem mehrseitigen Papier mit der Haushalts-, Sozial-, Verkehrs- und Innenpolitik. Die Vorwürfe richten sich nicht nur gegen die CDU, sondern indirekt auch gegen SPD- Senatoren und den SPD-Landesvorsitzenden Ditmar Staffelt. Das „Arbeitsprogramm“, an dem unter anderem Kreuzbergs Bürgermeister Peter Strieder mitgewirkt hat, befindet: „Um das moderne Berlin zu schaffen, braucht die Stadt ein neues Reformbündnis.“

Die Kreuzberger werfen dem Regierenden Bürgermeister und dem Finanzsenator vor, daß auf Grund ihrer „Leisetreterei“ gegenüber der Bundesregierung die Berlinhilfe und -förderung weit über die Befürchtungen hinaus zurückgefahren worden sei. Auch belaste die CDU die Große Koalition zunehmend durch Alleingänge und Verstöße, wie etwa durch die Zustimmung zur Pflegeversicherung von Bundessenator Peter Radunski, durch die Zustimmung zum Tarifabschluß im öffentlichen Dienst von Innensenator Dieter Heckelmann und durch den Alleingang von Diepgen bei den Städtepartnerschaften mit Peking und Djakarta.

In dem Arbeitspapier warnen die Autoren, daß die notwendigen Einsparungen beim öffentlichen Dienst durch einen gleichmäßigen Abbau erfolgen. Gegenwärtig kürze der Senat proportional und so „konterkariert die Sozialdemokratie ihre eigenen Erfolge zwanzigjähriger Wertausgleichspolitik“. Es enstehe „das Berlin der sozialen Kälte“. Der Bau von Sozialwohnungen im 1. Förderweg dürfe nicht reduziert werden.

In der Verkehrspolitik bescheinigen die Autoren der Koalition „Versagen auf der ganzen Linie“. Mit Milliarden von Mark sollen neue Schnellstraßen mitten durch die Stadt gebaut werden, während den BVG neue Sparrunden verordnet werden. Auf die Stellplatzabgabe – jährliche Einnahmen bis zu 300 Millionen Mark – dürfe nicht verzichtet werden. Die Renovierung von Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern und Grünanlagen sollte Vorrang vor dem Straßenbau haben.

Auch Dissenz in der Innenpolitik: Die Freiwillige Polizeireserve werde nicht aufgelöst. Der Umgang mit jugoslawischen Bürgerkriegsflüchtlingen, angolanischen und kurdischen Flüchtlingen sind weitere Beispiele.

Landesparteivorsitzender Staffelt, der keine Alternative zur Großen Koalition sieht, hat den Kreuzbergern inzwischen indirekt geantwortet. Überschrift seines mehrseitigen Papiers: „Berlin im Aufschwung“. Dort heißt es, daß die SPD – auch gegen den Widerstand der CDU – einen Großteil der wichtigsten Projekte der Stadt mit Erfolg vorangetrieben habe. Bei der Konsolidierung des Haushalts etwa sei die soziale und kulturelle Infrastruktur im Kern nicht beschnitten worden. Als in dieser Legislaturperiode noch mit der CDU zu erfüllende Aufgaben nennt Staffelt unter anderem den Neugliederungsstaatsvertrag Berlin- Brandenburg, den neuen Flächennutzungsplan, die Verwaltungsreform sowie „eine Zeitschiene“ für die Angleichung der Löhne und Gehälter. Dirk Wildt