: Unterm Strich
Nun schlägt's dreizehn: Regisseur Krysztof Kieslowski, der schon nach der Premiere des ersten Teils seiner Trilogie, „Drei Farben – Blau“, mehrere Male ebenso wortreich wie definitiv verkündet hatte, nach ihrer Fertigstellung aus dem Filmgeschäft auszusteigen und sich aufs Land zurückzuziehen (wir berichteten regelmäßig), will nun doch weitermachen. Am Samstag erklärte er vor Journalisten in Warschau gar, er fühle sich bereit, schon morgen anzufangen. Mit einem Film, den er „beispielsweise in Krakau“ drehen könne. Der letzte Teil seiner Trilogie, „Drei Farben – Rot“, sollte am Samstag in den polnischen Kinos anlaufen, mußte jedoch wegen mangelhafter Übertragung ins Polnische auf Mittwoch verschoben werden.
Der amerikanische Jazz-Trompeter Red Rodney ist am Freitag im Alter von 66 Jahren an Lungenkrebs gestorben. Rodney spielte unter anderem mit Benny Goodman, Woody Herman und Dizzy Gillespie. Am wichtigsten war jedoch seine Verbindung zu Charlie Parker, durch den Rodney zum Be-Bop kam. 1949 löste Rodney in Parkers Band Miles Davis ab.
Ein nicht ganz alltägliches Model hat sich der Pariser Modeschöpfer Kenzo zum Drapieren ausgesucht. Er will zum Sommeranfang die älteste Brücke von Paris, den Pont Neuf, ganz mit Blumen und Grün einkleiden. Die Brücke einschließlich ihrer 10 Pfeiler wird mit verschiedenen Efeuarten und 32.000 Begonien geschmückt. Das hat irgendwer genau ausge-
rechnet. Die Einkleidung soll drei Tage dauern und wird nach einem Sommernachtsfest am 21. Juni wieder entfernt. Erinnert uns das nicht an etwas, an einen anderen, der immer...? Na klar. Der hat die Brücke bereits im September 1985 schon einmal gründlich verpackt. Aber natürlich nicht in Begonien.
Wenn Sie diese Zeilen lesen und dazu noch gestern abend den Kulturweltspiegel im ersten Programm gesehen haben, wissen Sie natürlich mehr als die Kurzmelderin, die sich ja gestern mittag mit der Vorabmeldung begnügen mußte. Kurz und gut: WDR-Autor Tilman Jens legte Anhaltspunkte dafür vor, daß unser oberster nationaler Literaturkritiker, Marcel „Mich- interessiert-das-nicht-was-die-Leute-im Kongo-schreiben-oder-in-der-Mongolei“ Reich-Ranicki, Ende der vierziger Jahre Mitarbeiter des polnischen Geheimdienstes gewesen sein soll. Nach Jens' Recherchen hatte Reich-Ranicki 1948/49 als polnischer Generalkonsul in London die Aufgabe, Mitglieder der damaligen polnischen Exilregierung zur Rückkehr zu bewegen, die dann nach ihrer Ankunft in Polen umgehend vom sowjetischen Geheimdienst KGB verhaftet worden seien. Der Autor stützt sich auf Aussagen eines früheren polnischen Geheimdienstoffiziers, Wytold Leder, heute Präsidiumsmitglied des polnischen Übersetzerverbandes. Laut Leder soll Reich-Ranicki bis in die späten fünfziger Jahre in Nachworten und Rezensionen kritische Autoren verleumdet haben. Zwei Jahre vor seiner Flucht nach Westdeutschland habe Reich-Ranicki 1956 in einem Literaturhandbuch gar behauptet, daß die damalige Literatur der Bundesrepublik von Nazis und Pornoverlagen geprägt sei. Jetzt heißt es abwarten. Das morgige Standbild auf den Medienseiten zum Beispiel. Vielleicht erfahren wir dort mehr.
Um „Schriftsteller und Geheimdienste“ ging es auch bei der Veranstaltung „Mielke und die Musen“ am vergangenen Donnerstag in Schwerin. Der Berliner Schriftsteller Joachim Walther vertrat dort die Ansicht, daß die Stasi-Akten eine neue Sicht auf die Geschichte der DDR-Literatur eröffneten. Walther arbeitet zur Zeit an einer Dokumentation über die Wirkungsweisen der Stasi im Literaturbetrieb der DDR und ist „erschreckt über das Ausmaß der Verstrickung von Künstlern in den Geheimdienst“. Nach seinen Angaben sind zur Zeit des letzten Schriftstellerkongresses 1987 von 19 Mitgliedern des Verbands- Präsidiums zwölf Inoffizielle Mitarbeiter gewesen. Von sieben Germanistikprofessoren der Universität Halle sollen vier für das MfS gearbeitet haben. Walther hat bisher Unterlagen zu rund 250 seiner ehemaligen Schriftstellerkollegen dokumentiert. Als Motiv für die offensichtlich besondere „Anfälligkeit von Literaten für die Stasi-Tätigkeit vermutet er zu 90 Prozent den „Glauben an die kommunistische Utopie“, aber auch Angst oder der Wunsch nach Privilegien.
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