: Überbetriebliche Bildung ausbauen
■ Interview mit Laszlo Alex vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB)
taz: Herr Alex, Politiker schlagen Alarm, weil es zuwenig Lehrstellen gibt. Wie dramatisch ist die Situation?
Laszlo Alex: Die Zahl der Bewerber im Westen steigt im Vergleich zum Vorjahr an. Durch die angespannte Arbeitsmarktsituation sind heute mehr Jugendliche geneigt, Lehrstellen nachzufragen. Eine ähnliche Entwicklung hatten wir auch in den Zeiten der Rezession in den 70er und 80er Jahren. Bei dem Angebot an Lehrstellen haben wir eine gegenteilige Entwicklung. Es gibt weniger Stellen als im Vorjahr.
Wie sieht die Lage im Osten aus?
Im Osten werden wir auch noch im nächsten Jahr steigende Schulabgängerzahlen haben. Bei den Ausbildungsplätzen ist zwar eine leichte Verbesserung festzustellen, aber das ist nicht ausreichend, um die zusätzlichen Bewerber zu befriedigen. Daher ist es unbedingt erforderlich, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen.
Immer wieder wird vorgeschlagen, daß sich mehr Jugendliche aus dem Osten im Westen eine Lehrstelle suchen sollten. Wie groß ist da die Mobilität?
Im vergangenen Jahr haben von allen Ausbildungsplatzbewerbern im Osten etwa 12 bis 13 Prozent eine Lehrstelle im Westen angenommen. Die Mobilität der ostdeutschen Jugendlichen scheint zwar groß zu sein, wenn man nach den Befragungen urteilt. Da kriegen wir immer die positiven Antworten, daß sie durchaus bereit seien, auch Ausbildungsplätze weiter entfernt anzunehmen. Letztendlich mobil sind aber vor allem diejenigen, die in der Nähe der ehemaligen Grenze wohnen oder in Ostberlin und dem Berliner Umland. Die Bereitschaft zu größeren Wanderungen ist ansonsten bei dieser Altersgruppe weniger vorhanden.
Die meisten Jugendlichen wünschen sich einen Ausbildungsplatz in „Traumberufen“, beispielsweise Bankkaufmann oder KFZ- Mechaniker. Müssen sie sich von solchen Träumen verabschieden?
Viele wissen doch noch nicht so genau, was sie eigentlich wollen. Die meisten orientieren sich an der Umgebung: Was hat der Vater, der Onkel gemacht, was finden die Freunde gut? Viele unserer Befragungen ergaben zwar, daß fast die Hälfte der Jugendlichen später nicht in ihrem Traumberuf arbeitet. Trotzdem aber sind sie in ihrem Beruf dann am Ende doch zufrieden. Diese Zufriedenheit ist überraschend groß.
Welche politischen Möglichkeiten gibt es, den Lehrstellenmangel im Osten abzufedern?
Wir können keine Betriebe aus dem Boden stampfen. Deswegen haben wir im Osten die außerbetrieblichen Ausbildungsplätze stark ausgebaut. Diese Ausbildungszentren bieten letztendlich ein schulisches Lernen mit dem ganzen Makel einer vollzeitschulischen Ausbildung. Aber diese Maßnahmen müssen, solange es das Defizit an Ausbildungsplätzen gibt, aufrechterhalten und sogar ausgeweitet werden. Wichtig ist, daß man in diese Ausbildung betriebliche Phasen einbaut. Wir können immerhin von der Wirtschaft fordern, daß sie Praktikumsplätze für diese Jugendlichen anbietet. Das zweite ist der Ausbau der überbetrieblichen Bildung, wo ein Betrieb zwar bereit ist, auszubilden, aber eben eine überbetriebliche Stütze braucht.
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