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Ruanda: Feuerpause oder Rebellensieg

■ Die RPF-Guerilla steht vor der Einnahme der ruandischen Hauptstadt / 400.000 Menschen aus Kigali nach Süden geflohen / UN-vermittelte Verhandlungen für einen Waffenstillstand sollen heute beginnen

Kigali/Nairobi/Berlin (AP/ AFP/taz) — Ein militärischer Sieg der ruandischen Guerillabewegung „Patriotische Front“ (RPF), symbolisiert durch einen förmlichen Einmarsch der Rebellen in der Hauptstadt Kigali, gilt in diesen Tagen als immer wahrscheinlicher. Nicht nur fast die gesamte Zivilbevölkerung der Stadt, sondern auch große Teile der verbliebenen regierungstreuen Milizen sind bis gestern in der Erwartung eines RPF-Einmarsches aus Kigali geflüchtet — insgesamt 400.000 Menschen. Zu Zehntausenden, berichtet das Internationale Rote Kreuz (IKRK), ziehen sie gegenwärtig nach Süden Richtung Gitarama, wo sich die von der RPF nicht anerkannte ruandische Regierung aufhält. Auch in der Umgebung dieser Stadt wird inzwischen gekämpft.

„Die Menschen fliehen mit ihrem Gepäck auf dem Kopf und den Kindern auf dem Rücken“, beschreibt UNO-Sprecher Abdul Kabia die Lage. Nach IKRK-Angaben haben die Flüchtlinge keinerlei Lebensmittel bei sich. Mit Nahrungsmittelknappheit vor allem im Süden Ruandas sei daher zu rechnen. Das UNO-Welternährungsprogramm WFP forderte am Wochenende „dringende Hilfe“ für rund 1,6 Millionen Flüchtlinge in Ruanda.

Vor diesem Hintergrund wirken die Evakuierungsaktionen, die die UNO in Kigali durchführt, wie ein Tropfen auf dem heißen Stein: 695 Menschen wurden am Samstag in UNO-Flugzeugen ausgeflogen, nach 400 am Freitag. Es handelt sich um die Bewohner eines Stadions und eines Hotels, die seit Wochen dort unter Bewachung der Blauhelmsoldaten ausgeharrt hatten und dadurch vor den mordenden Milizen sicher waren.

Die UNO sieht in der Evakuierungsaktion dennoch einen wichtigen Beweis ihrer Handlungsfähigkeit, die sie mit dem für heute geplanten Beginn von UN-geleiteten Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien noch weiter betonen will. „Die beiden Seiten sollen am Montag in Kigali zusammentreffen und einen Weg zu einem Waffenstillstand erarbeiten“, sagte UN-Vermittler Iqbal Riza, der die ganze letzte Woche in Ruanda Gespräche geführt hat. Die Frage ist nun, ob die RPF noch vor einem Waffenstillstand Kigali einnimmt oder sich mittels einer Feuerpause noch etwas Ruhe gönnt.

Sorgen, daß die im Prinzip bereits vereinbarte größere UNO- Blauhelmmission der RPF in die Quere kommen könnte, braucht die Guerilla sich nicht zu machen, da diese Truppe noch lange auf sich warten lassen wird. Bisher haben sich lediglich Äthiopien, Ghana, Senegal und Simbabwe zur Teilnahme bereiterklärt — und wer die afrikanischen Soldaten ausrüstet, transportiert und bezahlt, ist noch offen. Das allgemeine Zögern wird von Beobachtern dem Unwillen der USA zugeschrieben, hier eine Führungsrolle einzunehmen. „Ihre Regierung scheint nicht zu wünschen, daß der Sicherheitsrat die tatsächliche Stationierung aller 5.500 Soldaten beschließt“, kritisiert die Hilfsorganisation Oxfam in einem Brief an US-Präsident Bill Clinton. D.J.

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