: Altbauten werden immer teurer
■ Neuer Mietspiegel / Mieterverein: Bisher „stärkster Anstieg“ / Jede vierte Altbauwohnung legte um 20 Prozent zu
„Von einer Mietenexplosion kann keine Rede sein“, beruhigte gestern Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) bei der Vorstellung des vierten Berliner Mietspiegels. Demnach haben sich im Verlauf der letzten beiden Jahre die Altbauwohnungen um durchschnittlich 8,9 Prozent und die Neubauwohnungen um 5,5 Prozent verteuert. Diese Steigerung sei damit zwar höher als bei den allgemeinen Lebenshaltungskosten, meinte Wolfgang Nagel. Gleichzeitig weise aber die Hauptstadt ein immer noch geringeres Mietniveau als vergleichbare Städte wie Hamburg, München oder Köln auf.
Einen Grund zur Beunruhigung, resümierte Nagel, gebe es nicht. Panikmeldungen der Maklerverbände, die noch vor wenigen Wochen von einer regelrechten Mietenexplosion in Berlin gesprochen hätten, entbehrten jeder Grundlage. Sie bezögen sich lediglich auf die Neuvermietung freifinanzierter Wohnungen, nicht aber auf den gesamten Wohnungsbestand.
Trotz der Entwarnung des Bausenators spiegelt das für 400.000 Altbauwohnungen und 100.000 Neubauten in Westberlin geltende Zahlenwerk in Teilbereichen enorme Mietsteigerungen wider. Fast jede vierte Altbauwohnung nämlich verteuerte sich seit 1992 um durchschnittlich über 20 Prozent. So beträgt der Mittelwert einer modernisierten Einzimmerwohnung statt bisher 8,73 DM pro Quadratmeter nunmehr 12,43 Mark. Ähnlich sprunghaft stiegen die Mieten auch bei den zwischen 1918 und 1964 fertiggestellten Wohnungen über 90 Quadratmeter und dem älteren freifinanzierten Neubaubestand. Ein leichter Rückgang dagegen ist lediglich bei den bislang überteuren bezugsfertig gewordenen Neubauten zu verzeichnen.
Obwohl der neue Mietspiegel laut Nagel keine „Aussage über eine wünschenswerte Entwicklung“, sondern eher ein „Abbild der Wirklichkeit“ sei, zeigte sich der Bausenator vor allem darüber erfreut, daß das neue Zahlenwerk sowohl von den Mieterorganisationen als auch dem Landesverband freier Wohnungsunternehmen und den berlin-brandenburgischen Wohnungsunternehmen mitgetragen werde.
Der Mietspiegel sei damit sowohl für Mieter als auch für Eigentümer eine Orientierungshilfe und für die Gerichte ein Anhaltspunkt für die in Mietstreitigkeiten relevante „ortsübliche Vergleichsmiete“.
Anders dagegen bewertete der Berliner Mieterverein (BMV) das Gerangel um die Mietspiegelwerte. Als „politisch ärgerliche Geste“ bezeichnete BMV-Geschäftsführer Hartmann Vetter das Entgegenkommen Nagels gegenüber den Eigentümerverbänden, die bei der Berechnung der Mittelwerte den Mietneuabschlüssen ein höheres Gewicht verleihen wollten. Insgesamt, meinte Vetter, gebe das neue Zahlenmaterial den „stärksten Mietanstieg wieder, seit in Berlin Mietspiegel erstellt werden“. Unterdessen machte Bausenator Nagel darauf aufmerksam, daß bei der Überleitung des Ostberliner Wohnungsbestands in das Vergleichsmietensystem die Westmieten nicht ohne weiteres übernommen werden könnten. Ähnlich wie bei der Aufhebung der Mietpreisbindung in Westberlin müßten Übergangsregelungen geschaffen werden. Uwe Rada
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