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Der „Urbicid“ an Sarajevo im Bild

■ Eröffnung einer Fotoschau des Projekts „Warchitecture“

München (taz) – 2.600.000 Bomben und Granaten sind in den letzten 25 Monaten auf Sarajevo abgeschossen worden. 10.000 Menschen kamen dabei ums Leben, 1.600 davon waren Kinder. 370.000 Menschen wohnen heute in der Stadt, von deren 80.000 Gebäuden rund 60 Prozent zerstört oder beschädigt sind. Sarajevo, eines der ältesten urbanen Zentren auf dem Balkan, ist eine Stadt der Ruinen. Allein von den sakralen Bauten liegen 150 in Trümmern. Von den Gebäuden aus der osmanischen Periode sind 75 Prozent zerstört. Eine der schönsten Bibliotheken des Balkans, die Nationalbibliothek, ist schwer beschädigt. Aber auch die zeitgenössische Architektur, die mit der Olympiade einen Schub erhalten hatte, bietet ein Bild der Verwüstung.

Die Fotoausstellung des Projektes „Warchitecture“ dokumentiert auf 86 Tafeln, mit einer Diaschau und einem Videofilm die Zerstörung einer Stadt, den Urbicid an Sarajevo. Seit zwei Jahren hat eine Gruppe von Architekten in Sarajevo an dieser Dokumentation gearbeitet. Ihr Ziel: das multikulturelle Erbe Sarajevos im Gedächtnis der Welt zu erhalten, um es irgendwann einmal wiederbeleben zu können. Nach Bordeaux und Paris (im Centre Pompidou) wird die Ausstellung nun bis zum 19.6.im Münchner Gasteig gezeigt.

„Der Urbicid an Sarajevo ist ein Teil des Genozids, der sich heute in Bosnien abspielt“, sagte Tarik Kupusovic, der Oberbürgermeister von Sarajevo, der eigens zur Ausstellungseröffnung nach München gekommen war. Die Stadt habe Leiden wie im Mittelalter erlebt, „dennoch existieren wir und werden überleben“. Sarajevo müsse als Zentrum multikulturellen Zusammenlebens erhalten bleiben, auch wenn es Jahre dauern wird, bis die Stadt wieder halbwegs instandgesetzt sei.

Der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude, Schirmherr der Ausstellung, erinnerte daran, daß München vor einem halben Jahrhundert ebenfalls zu über 50 Prozent zerstört war und daß es keineswegs nur der Aufbauwille der Münchner, sondern vor allem internationale Hilfe war, die den Wiederaufbau ermöglicht habe. „Eine Bevölkerung, der soviel von Ausländern geholfen worden ist, sollte sich verpflichtet fühlen, Flüchtlinge aufzunehmen und Hilfe zu leisten.“ München beherberge über 20.000 Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien – die meisten davon aus Bosnien – und sei sich seiner europäisch-nachbarschaftlichen Verpflichtungen bewußt. Ude kritisierte jede Form von „Ruck-zuck-Abschiebung, die auf den Beifall der Stammtische schielt“. Seinem Amtskollegen aus Sarajevo sagte er jede mögliche Unterstützung zu.

Das Projekt „Warchitecture“ der bosnischen Architekten steht unter dem Patronat der Unesco. Die Ausstellung wird von der Aktion „Sarajevo is next“ mit Unterstützung des Kulturreferats der Stadt München durchgeführt. Im Juni soll sie in Berlin gezeigt werden, danach wandert sie nach New York. Thomas Pampuch

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