: Störfall bei der Wollkämmrei
■ Klärkessel ausgefallen: Seit Mittwoch läuft mit Genehmigung des Umweltsenators Dreckwasser in die Weser / Jahrelanger Streit BWK-Umweltsenator beigelegt
Störfall bei der Bremer Wöllkämmerei: Am 19.5. ist bei dem Bremen-Norder Großunternehmen eine Verdampfungsanlage ausgefallen, die dem Abwasser aus der betriebseigenen Kläranlage weitere Schadstoffe entzieht. Sechs Tage lang konnten die Abwässer in einem ungenutzten Klärbecken zurückgehalten werden, seit dem vergangenen Mittwoch aber werden sie an der Verdampfungsanlage vorbei direkt in die Weser geleitet – mit Genehmigung der Umweltbehörde. Das gab gestern der frischgebackene Umweltstaatsrat Manfred Morgenstern bekannt. Wenn die Behörde die Sondererlaubnis verweigert hätte, wäre die einzige Alternative die Betriebsstillegung gewesen. Das größte Problem in der Weser ist nun, daß der Sauerstoff im Wasser von den Abwässer aufgezehrt wird. Eine akute Gefährdung der Umwelt sei aber nicht zu befürchten, sagte Hugo Wohlleben vom Umweltressort, die Fische umschwimmen die gefährliche Stelle: „Eine kurzzeitige Einleitung kann man dem Gewässer zumuten.“ Das findet Robin Wood überhaupt nicht. Die Umweltorganisation hat Strafanzeige wegen grober Gewässerverschmutzung erstattet.
Mit einer Betriebsstillegung wäre ein Rechtsstreit zwischen Umweltsenator und BWK wieder aufgebrochen, der gerade mühselig beigelegt worden ist. Nach mehreren Jahren juritischer Grabenkämpfe haben sich Umweltressort und BWK auf einen öffentlich-rechtlichen Vertrag geeinigt, der die Umweltstandarts der BWK regeln soll. Vorausgegangen war eine Anordnung der Umweltbehörde, der sich die BWK aus prinzipiellen Gründen verweigert hatte. Der Standpunkt der Firma: Der Senator hat nichts anzuordnen. Die formelle Frage wurde jetzt zugunsten einer inhaltlichen Klärung ad acta gelegt. Manfred Morgenstern: „Das Gezerre ist beendet.“
Der Streit um die Umweltauflagen für die BWK ist schon alt. Die Firma pochte auf uralte Einleitungsrechte und ließ sich selbst durch das Bundesverfassungsgericht nicht davon abbringen, mit allen juristischen Mitteln gegen Auflagen vorzugehen. Die Anordnung der Umweltbehörde im Jahr 1992 beantwortete die Firma mit einem umfangreichen Einspruch, der wiederum abgewiesen wurde, was die BWK zu weiteren juristischen Einsprüchen brachte. Der Knoten scheint jetzt durchschlagen.
Dabei liegen die Schadstoffwerte der BWK-Abwässer weit unter den Grenzwerten, wie die Experten des Umweltressorts bestätigen. Die Firma hat in den vergangenen Jahren schließlich in den Umweltschutz investiert, auch mit Hilfe des Bundes-Umweltministers. Der hatte Millionenzuschüsse zum Bau der Eindampfungs und Feuerungsanlage (EFA) gegeben. Die bläst das Abwasser aus der Kläranlage als Dampf in die Luft, der Dreck bleibt übrig und wird verbrannt. Bei dieser Anlage ist nun am 19. der Kessel ausgefallen. Die Firmenleitung hat sofort die Behörde informiert und die Abwässer aufgefangen. Doch als nach sechs Tagen das Becken voll war, stand der Umweltsenator vor der Entscheidung Sondergenehmigung oder Stillegung. Am Ende siegten die 1.000 Arbeitsplätze bei der BWK. Die muß seitdem täglich über den Stand der Reparaturen unterrichten und Meßprogramme abspulen. Und für den neuen Vertrag hat die Behörde auch gleich Nachverhandlungen angekündigt: Es soll geklärt werden, wie die Einleitungen bei Störfällen vermieden werden können.
Die Reparaturen an der Anlage stehen offenbar kurz vor dem Abschluß: Gestern wurde der defekte Kessel wieder angefahren, wenn die Anlage nun vom TÜV abgenommen wird, kann der Betrieb wieder aufgenommen werden.
Jochen Grabler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen