: Sozialbehörde: Die Fassade bröckelt
■ Zehn Millionen für Sanierung des Tivolihochhauses nötig / Gaertner geht bei Jäger betteln
Bei der Sozialsenatorin bröckelt die Fassade. Seit Monaten ist das Tivolihochhaus am Breitenweg von einem Baugerüst umzingelt, weil die Außenverkleidung den BremerInnen auf den Kopf zu fallen drohte. Jetzt stellt sich heraus: Der Bau ist viel maroder als zuerst gedacht, die komplette Fassade müßte erneuert werden. Kosten: zwischen acht und zehn Millionen Mark. Die müßte eigentlich der „Bedarfsträger“ bezahlen, also die Sozialsenatorin. Doch deren Haushalt ist bekanntermaßen chronisch schwindsüchtig. Selbst den Vorschlag, den Bau abzustottern, hat das Sozialressort jetzt abgelehnt. Niemand könne sagen, woher das Geld für die Raten kommen könne. Jetzt ist das Sozialressort beim Wirtschaftssenator betteln gegangen. Der soll die Rechnung nun aus dem Topf für die Bahnhofsvorplatzverschönerung oder für die Attraktivitätssteigerung der Innenstadt lockermachen. Dabei hat das Sozialressort die kruden Sachzwänge auf seiner Seite: So lange die Entscheidung über eine Grundsanierung der Fassade nicht kommt, so lange bleibt das Gerüst stehen, „schon aus Sicherheitsgründen“, sagt Rainer Imholze, als Sprecher der Bausenatorin auch zuständig für das bauüberwachende Hochbauamt. Und so lange laufen dann auch die Kosten für das Gerüst auf. Was das kostet? Später!
Daß die Fassade am Tivolihochhaus erneuert werden müßte, das war schon lange klar. Die Hoffnug des Sozialressorts war nun, daß es mit dem Abschlagen der losen Außenkacheln getan sei. Das sollte rund 1,7 Millionen Mark kosten, die die Sozialsenatorin mühselig aus dem Haushalt zusammengekratzt hat. Nach Beginn der Bauarbeiten stellte sich allerdings heraus: Die komplette Fassade muß weg. Die dicke Mörtelschicht hatte sich großflächig gelöst, dahinter konnte Feuchtigkeit dringen. Das wiederum konnte bei Frost riesige Brocken zum Abplatzen bringen. Die Alternative: Grundsanierung, und dabei natürlich auch eine vernünftige Wärmeisolierung. Und wenn die Fassade ohnehin schon komplett erneuert werden muß, dachte sich das Bauressort, dann kann man das potthäßliche Haus gleich optisch ein wenig aufmotzen. Die Kostendifferenz ist minimal, heißt es aus dem Haus der Bausenatorin. Schließlich soll die Innenstadt insgesamt attraktiver werden, der Bahnhofsvorplatz sowieso, und von dort aus ist das schmuddelige Betonmonstrum von der Ferne wunderbar zu besichtigen.
So entstand in Zusammenarbeit mit einem renommierten Bremer Architektenbüro der vorliegende Entwurf. Das Haus ist kaum wiederzuerkennen, die Kostenkalkulation leider auch nicht. Und die führte zu einem ersten Gespräch zwischen der Spitze des Sozialressorts und der Hanseatischen Industriebeteiligungs GmbH (Hibeg). Die hat schon einige Male zuvor zur Vorfinanzierung von Behördeninvestitionen ihr Geldsäckchen aufgetan, zum Beispiel als der Finanzsenator die Seuerfahndung computerisieren ließ. Die Hibeg schlug nun vor, die Sanierung zu bezahlen, das Sozialressort könne das Darlehen dann abstottern. Doch der Sozialstaatsrat Hans-Christoph Hoppensack winkte nur ab: das Geld sei nicht da, noch nicht einmal, wenn auf Pump gebaut würde.
Insgesamt 94 Prozent der Kosten blieben bei der Sozialsenatorin hängen. So hoch ist der Anteil, den die Stadt an dem Gebäude hält. Die restlichen Prozente verteilen sich zum Beispiel auf Ladenbesitzer im Erdgeschoß. Blieb dem Sozialressort nur der Gang zur einzigen Bremer Behörde, die noch Geld zu verteilen hat. Bis der Wirtschaftssenator das Ansinnen bearbeitet hat und alle zuständigen Gremien betraut sind, muß das Gerüst am Tivoli-Hochhaus stehenbleiben. Kosten: Mehr als 40.000 Mark pro Monat. Jochen Grabler
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