■ Tun und Lassen: Die Kunst des devensiven Einkaufs
Unfein ist die Masche der Kaufhausbosse, Artikel des Grundbedarfs in schwer zugängliche Tiefgeschosse zu verbannen. Will man sich mit etwas Quark erfrischen oder auch nur einen Schluck Milch erstehen, ist zumeist ein schikanöser Mittelstreckenparcours zu durchqueren; bei Hertie in Frankfurt am Main wird er perfiderweise ausgerechnet mit dicht gestaffelten, giftig in die Nase stechenden Präsentiertellern voller Achselhöhlenmedizin und Stinkeflacons eröffnet. Nichts kann dort erworben werden, ohne daß der Kunde durch ein krauses, zäh und widerwillig nur sich vor ihm teilendes Meer aus penetrantesten Gerüchen schreiten muß. Abscheulich frisierte Giftnixen umhuschen ihn und bieten eingetütete Duftproben feil. Das gehört sich nicht.
Beim Erreichen der Rolltreppe ergibt sich eine neue Schwierigkeit. Menschen, von welchen man annehmen darf, daß sie sich im Straßenverkehr, auch wenn nicht der geringste Grund zur Eile vorliegt, habituell mit Bleifuß und Lichthupe in einen rasenden Geschwindigkeitsrausch zu steigern versuchen – gerade die erstarren beim Betreten von Rolltreppen zu salzsäulenartigen Verkehrsblockaden. Der im Ausland mit Erfolg praktizierte Rolltreppenknigge (rechts stehen, links gehen) vermag sich im angeblich disziplinbesessenen Deutschland einfach nicht durchzusetzen. Oftmals bilden sich auf deutschen Rolltreppen ganze Klumpen aufreizend lässig und gemächlich herumstehender Flegel, die sich, somnambulisiert vom kommerziellen Schnurren und Glitzern, gegenseitig die Zeit stehlen und ein Durchkommen unmöglich machen. Hinterher wird allerdings schnurstracks ins Parkhaus gehastet und mit unguten Kraftwagen so erbittert durch die Welt geflitzt, als gehe es nun wiederum auf einmal um Femtosekunden.
Gescheites Mittelmaß (rechts stehen, links gehen, draußen nicht rasen) wird von der Masse verschmäht. Peinlich sind natürlich auch zwanghafte Rolltreppendrängler. Blockadepulks sollte man stolz tolerieren, und wenn sich zufällig Lücken auftun, höflich und unaggressiv hindurchschreiten. Hat man die Lebensmittelabteilung endlich gefunden und die Ware parat, gilt beim Kassenschlangenaufbau genau die gleiche defensive Verfahrensweise. Unschicklich und kindisch ist das habichthafte Schielen und Lauern auf etwa noch zu eröffnende Nebenkassen und weitere Kassiererinnen. Außerdem stehen die vermeintlich in Zeitnot steckenden Verbraucher gleich nach dem Bezahlen ja doch nur wieder bräsig auf der Rolltreppe und huldigen der Entdeckung der Langsamkeit.
Die noch viel komplizierteren, direkt an der Kaufhauskasse zu beachtenden Verhaltensregeln erkläre ich, da ich noch einkaufen gehen muß, ein anderes Mal. Ben Salvenbye
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