Stasi-Luther poltert selbstverliebt

■ Es wird eifrig nachgetreten: Der TED von „Bild“, Biermann von der „FAZ“ und der „analphabetische Dachdecker“

Santiago/Berlin (taz/dpa/AP) – Solange Erich Honecker nicht unter der Erde ist, wird nachgetreten. Die Bild-Zeitung hat dafür ihren TED, den automatischen Telefonumfrager. Die FAZ hat ihren Biermann.

Unter der Überschrift „In neun Minuten alles Asche“ und garniert mit gemeinen Leichenbildern stellte die Bild gestern ihre LeserInnen eine vaterländische Gewissensfrage. Ob denn die Asche des früheren DDR-Staatschefs in Deutschland beerdigt werden solle oder nicht? Die allerwichtigste Frage aber beantworteten die Springer-Schreiber gleich selbst: „Warum war ein Kreuz auf seinem Sarg? Hat der Gottlose am Ende zu Gott gefunden? Wurde der Kommunist vor seinem Tode Christ? Nein! Das Sarg-Kreuz ist eine chilenische Tradition.“

Auch Wolf Biermann, der Stasi- Luther von der Waterkant, kommt uns in seinem FAZ-Nachruf so richtig christlich. Honecker, der Zombie, lebt quasi nach dem Motto „Dies ist mein Leib“ in uns allen weiter, „in Ossis und Wessis, die sich jetzt am Kadaver der DDR mästen“.

Selbstkritik des großen Unterdrückungsstaats-Verwursters? Keineswegs. Diktatur gleich Diktatur: ganz besonders nämlich lebten der „analphabetische Dachdecker“ und seine „Wahnideen“ weiter „im Gebrüll der Neofaschisten in allen Farben der Fremdenfeindlichkeit und der Intoleranz“.

Treten nach dem „Kadaver“ sei das nicht, erteilt sich Biermann selbst die Absolution, schließlich habe er schon 1989 in seinem Leipziger Honecker-Song großzügig statt Rache „Rente im Wandlitzer Ghetto“ empfohlen. Soviel historische Weitsicht muß natürlich in hemmungslose Egomanie umkippen: In DDR-Zeiten, so Biermann am Ende seines FAZ-Artikels, hätte es heißen müssen, Honecker sei „eingeschreint im großen Herzen der Arbeiterklasse. Ich aber sage heute, was jeder weiß: Honecker ist eine historische Mücke, unsterblich eingeschlossen im Bernstein meiner Ballade.“ Elefantös.

Unterdessen scheint klar, daß Honeckers sterbliche Überreste nicht an der Seite von Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg und Walter Ulbricht begraben werden können. Auf der Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Zentralfriedhof in Berlin-Friedrichsfelde sei neben diesen drei Grabstellen kein Platz mehr frei, so das Bezirksamt. Auch eine Beisetzung im saarländischen Wiebelskirchen wird vermutlich nicht möglich sein. Gedenkstunden sind am Wochenende sowohl auf dem Friedrichsfelder Friedhof in Berlin als auch im brandenburgischen Ort Ziegenhals bei der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte geplant. Ein Kondolenzbuch liegt im Vorstandsbüro der KPD in Berlin-Friedrichsfelde, Alfred-Kowalke-Straße 30 aus. kotte