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Flughafen Fuhlsbüttel auf ewig?

■ Studie des Bundesverkehrsministeriums fällt vernichtendes Urteil über Alternativstandorte / Schlechte Zensuren für Parchim / CDU unverdrossen für Kaltenkirchen Von Florian Marten

Welche großen Verkehrsflughäfen wird es im Jahr 2010 in Norddeutschland noch oder neu geben? Geschlossen werden, das steht jetzt schon fest, die Berliner Stadtflughäfen Tempelhof und Tegel. In Hamburg hoffen viele auf eine Schließung des Flughafens Fuhlsbüttel. Fest steht inzwischen auch, daß die Entscheidung über die zukünftige norddeutsche Flughafenlandschaft in Berlin fallen wird. Zur Debatte stehen bislang drei Varianten: der Ausbau Schönefelds zum Großflughafen, der Neubau eines Airports im Süden von Berlin oder der Neubau einer Superpiste in Parchim, auf halber Strecke zwischen Hamburg und Berlin.

Hamburgs Träume, eines Tages einen Großflughafen in Schleswig-Holstein zu bekommen, sind angesichts der Prioritäten für Berlin und der auf Jahrzehnte angespannten öffentlichen Kassenlage für die nächsten 30 bis 50 Jahre vom Tisch. So richten sich jetzt die letzten Hoffnungen auf eine Verkleinerung oder Schließung Fuhlsbüttels auf den ehemaligen russischen Militärflughafen Parchim.

Diese Hoffnungen haben kürzlich einen ganz massiven Dämpfer erhalten. Eine umfangreiche Studie der TH Aachen, erstellt im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums, kommt zu einer vernichtenden Bewertung Parchims. Bis auf Lärmentlastungen in Berlin und Hamburg (Voraussetzung: Fuhlsbüttel und Schönefeld werden nach der Eröffnung Parchims auch wirklich geschlossen) gibt es fast nur negative Effekte: ein weitaus größerer Verbrauch an Flächen, Energie, eine massive Erhöhung des CO2-Ausstoßes, gewaltige Mehrkosten (im Vergleich zum Ausbau Schönefelds mindestens acht Milliarden Mark) und nur geringe regionalwirtschaftliche Effekte, sprich zusätzliche Arbeitsplätze.

Die Forscher der TH Aachen haben ihre Studie Richtung Allgemeingültigkeit getrimmt. Sie betrachten Vor- und Nachteile „eines stadtfernen Flughafens am Beispiel des norddeutschen Luftverkehrsmarktes“. Ihre Aussagen sind in der Tendenz damit auch für die irreale Kaltenkirchen-Lösung oder die weit realere Idee eines Großflughafens im Süden von Berlin gültig. Generell zeigte sich, so die Forscher, daß Großflughäfen in großer Entfernung zu den Ballungsräumen nur mit massiven öffentlichen Subventionen (auch der An- und Abfahrt zu derartigen Flughäfen), erheblichen ökologischen Zusatzbelastungen und Mehrkosten erstellt werden können.

Aller Voraussicht nach wird sich damit die Debatte von Politikern und Luftverkehrslobby über das zukünftige norddeutsche Luftverkehrskreuz auf Schönefeld und einen Alternativstandort im Süden Berlins konzentrieren. Die Entlastung oder Schließung Fuhlsbüttels wäre wohl endgültig vom Tisch.

Ebenso unermüdlich wie aussichtslos trommelt dagegen die Hamburger CDU für Kaltenkirchen. Landesvorsitzender Dirk Fischer: Die „Verweigerungshaltung“ des Senats in Sachen Kaltenkirchen sei unerträglich und nicht zu verantworten. CDU-Hoffnungsträger Ole von Beust liebäugelt noch immer mit einem ganz speziellen Coup: Private Investoren bauen in Schleswig-Holstein für ein paar Milliarden Mark einen Ersatzflughafen samt Verkehrsanbindung. Den kauft ihnen anschließend Hamburg wieder ab – mit Erlösen aus dem Verkauf des Flughafengeländes Fuhlsbüttel.

Fraglich ist freilich nicht nur, ob diese Rechnung im Fall der Realisierung tatsächlich aufginge. In Hamburg denkt angesichts der aktuellen Flughafen-Investitionen (Abschreibungsfrist: mehrere Jahrzehnte) niemand an die Aufgabe Fuhlbüttels. Und: Die Lufthansa-Werft mit mehr als 5000 Arbeitsplätzen wäre dann auch perdu – ein Handicap, das vorerst kein Hamburger Wirtschaftspolitiker, Sozialdemokrat oder ÖTV-Gewerkschafter akzeptieren wird.

Derweil plädiert Mecklenburgs Ministerpräsident Berndt Seite (CDU) für den zügigen Ausbau von Parchim. Das Land wolle sich zu 71 Prozent beteiligen.

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