: Dann mach ich den Lautsprecher
■ Axel P. Sommerfeld, Radio Bremen 4 -Moderator, über Phone-In-Radio, Zukunftspläne und Sendungsbewußtsein
Was steckt eigentlich hinter dem P. vor Sommerfeld?
Nicht was man denkt. Nicht Peter, sondern Patrick.
Nun zum Ernst. Wie bringt sich der Moderator in die erforderliche fröhliche Stimmung?
Ach, ich bin doch gar nicht so eine Frohnatur. Und wenn, kommt's von selber. Ich freue mich meistens auf meine Sendungen, ehrlich gesagt. Und wenn nicht, hört man, glaube ich den Unterschied. Es gibt Stammhörer, die schreiben mir dann besorgte Briefe, und als ich mal erkältet war, kamen sogar welche angefahren und hatten irgendwelche Mittelchen dabei. Nun hatten wir zwar mal Diskussionen bei uns über die Frage der Perfektion, und es regte sich auch schon mal jemand auf, weil man im Radio hörte, wie eine Studiotür zufiel, aber im großen und ganzen ist das vorbei.
Die Privatradios machen geradezu einen Kult um ein möglichst perfektes Styling, inklusive elektronischer Stimm-Modulation und solcher Sachen.
Ja. Wir nicht. Wir hatten ja auch nie dieses extreme Zielgruppenkalkül. Ich weiß zum Beispiel durchaus von mir, daß ich das Publikum sehr stark polarisiere.
Was sagen deine Feinde?
Die einen mögen meine Stimme nicht, die anderen halten mich für einen Zyniker. Bis jetzt ging's aber ganz gut.
Wer nicht zu einer Zielgruppe spricht, hat aber doch auch beim Sprechen eine Vorstellung vom Publikum im Kopf. Ist es bei dir eher der kleine Kreis oder das große Stadion?
Das kommt drauf an. Wenn ich nur die neuesten Hits ansage und zwischendurch mal die Verkehrsmeldungen, dann mach ich natürlich den Lautsprecher. Wenn ich Geschichten zu erzählen habe, bemühe ich mich um eine gewisse Intimität. Im Idealfall, und das ist schon die Vision aller Moderatoren, im Idealfall hat man für alle Gelegenheiten eine eigene Stimme, eine Stimme, die schon selber Bilder erzeugt.
Werden die Moderatoren da fortgebildet?
Ja, da gibt es jede Menge Schulungen. Ich hab sowas aber nie gemacht, ich hatte immer ein bißchen Angst, daß man da verbogen bei rauskommt. Bestimmt hab ich ja auch eine ganz katastrophale Atemtechnik, und ich verschlucke die Silben und so, aber man sieht ja bei den Privaten, die ganz stark mit Schulungen arbeiten, was da rauskommt. Neun von zehn Moderatoren sind nur noch Ansagemaschinen.
Aber lernt man da nicht auch, wie man trickreich die Hörer einfängt?
Sicher, aber oft auch nach Rezepten, wie sie vielleicht vor zehn Jahren in den USA aktuell waren. Das ist zum Teil schon dubios. Trotzdem schicken auch die Öffentlich-Rechtlichen ihre Leute oft zu solchen privaten „Rundfunkberatern“, wie die sich nennen, zum Teil bis nach Holland.
Müssen die Moderatoren sich nicht einfach ranhalten? Die Konkurrenz hat sich ja überall verschärft.
Sicher, der Druck ist größer geworden, grad bei den Privaten. Das äußert sich dann auch in einer gewissen Originalitätssucht. Da gab's ja mal die Debatte um die Phone-In-Shows, die immer nur von sich reden gemacht haben, wenn der Moderator besonders gemein zu irgendwelchen Anrufern war. Aber sowas läuft sich auch wieder tot.
Wärst du für so eine Phone-In-Show zu haben?
Im Prinzip ja. Wir hätten's auch fast schon mal gemacht, es ist bloß an organisatorischen Schwierigkeiten gescheitert. Man bräuchte einen Telefoncomputer mit mehreren Leitungen und vor allem ein paar Leute, die die eingehenden Anrufe managen und ausfiltern. Wenn man da bloß allein rumsitzt und alles einfach rübergestellt kriegt, wie wir's eine Zeitlang in „Limbo“ probiert haben, das kann ganz schön schiefgehen, da hat man dann plötzlich einen Schnarchsack in der Leitung, der überhaupt nicht mehr zu reden aufhört.
Aber es steht noch auf der Wunschliste, oder?
Ja, so wie auch unsere eigenen Nachrichten. Natürlich bräuchte ein Jugendradio eigene Nachrichten. Andere Sachen gehören vielleicht auch dazu, wenn man ein wettbewerbsfähiges, schnelles Programm haben will. Ich persönlich würde zum Beispiel gerne mehr Aktionen und Gewinnspiele machen; das kann man ja durchaus witzig gestalten. Wir können uns bloß nicht verzetteln. Es ist halt eine Geldfrage.
Gleichzeitig wird es auf dem Markt dramatisch eng, wenn im Zuge der Digitalisierung plötzlich aus jedem Radio hunderte von Programme erschallen könnten.
Ja, das wird ganz schön spannend. Nun sind wir, was die Digitalisierung betrifft, mit an der Spitze, aber natürlich kann kein Mensch sagen, was passieren wird, wenn man plötzlich jeden Sender überall haben kann. Möglicherweise zerfällt dann unser Angebot in lauter kleine Spezialprogramme.
Könnte es sein, daß das Veranstalten von Parties und andere Nebengeschäfte an Bedeutung zunehmen?
Bei uns wird sich das sicherlich in Grenzen halten, wie's anderswo ist, weiß ich nicht. Der Hessische Rundfunk hat inzwischen eine eigene Gesellschaft gegründet nur für die mobile HR-3-Disco, die machen ganz gut Geld.
Und wie steht's um die privaten Nebengeschäfte der Moderatoren?
Das ist peripher. Inzwischen haben wir da ja in der ARD nach einigen Vorfällen recht strenge Regeln. Bei den freien Moderatoren ist es natürlich was anderes. Vor ein paar Jahren gab's da mal eine Debatte um Christian Günther, weil der in sehr vielen Werbespots gesprochen hat, das ist ja einer der Top-Leute in Deutschland. Und die Kunden haben die Spots natürlich bevorzugt in seinen eigenen Sendungen geschaltet. Das hörte sich schon komisch an, erst der Moderator als Moderator, dann als Werbesprecher für Persil. Aber das ist längst gütlich bereinigt.
Letzte Frage: Hast du irgendwo eine geheime Reserve an Gags, falls dir mal gar nichts einfällt?
Nein, hab ich nicht. Ich kann mir Witze sowieso nie merken. Irgendwo hab ich mal ein Buch rumliegen sehen, das hieß „Die besten Witze für Radiomoderatoren“ oder so, aber das wäre ja wirklich nur was für abgehalfterte Conférenciers. Ich denke, es reicht, wenn man Nachrichten, Meldungen, Themen, Einfälle sammelt und im Hinterkopf behält. Irgendwann kommen die dann schon wieder vor.
Fragen: Manfred Dworschak
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen